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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Sie, ich begreife nicht die Absicht Ihrer Worte, ich achte das Kalifat und hege keine von diesen Absichten, die Sie mir unterstellen, nicht mit gutem Willen, wie ich anfügen muß.
    GOUVERNEUR: Und die Hohe Pforte achtet den Sharif von Mekka. Wir sollten darauf bedacht sein, diese gegenseitige Achtung zu erhalten. Als Zeichen unseres guten Willens haben wir beschlossen, die Garnison in Djidda zu vergrößern.
    SHARIF: Wir sollten dieses Gespräch nach Ihrer Rückkehr fortsetzen. Richten Sie dem Kalifen bitte unsere zutiefst empfundene Achtung und unseren nicht minder aufrichtigen Dank aus, wenn Sie bei ihm vorsprechen. Und natürlich auch unserem alten Freund, dem Wesir.
    GOUVERNEUR: Und welche abschließende Meinung zu diesem besonderen Fall soll ich ihm ausrichten?
    KADI: Wir sollten gerade in diesen Tagen, in den Tagen der Läuterung, nicht vergessen: Wenn Gott den Menschen segnet in Gegenwart der geheiligten Stätten, dann segnet er auch den Ungläubigen. Er öffnet sein Herz, damit er bewegt werde, und er öffnet seine Augen, damit er sehend werde. Gottes Gnade ist unendlich, gewiß macht sie nicht halt vor Herkunft oder Absicht. Wer sind wir, seinem Erbarmen ein Maßband anzulegen? Wir wissen nicht, wann und wie dieser Sheikh Abdullah, dieser Richard Burton, zu einem Moslem wurde, ob er Moslem geblieben ist, ob er als Moslem die Hadj angetreten hat, wie rein sein Herz war, wie ehrlich seine Absicht. Zweifellos hat er auf seiner Reise einiges erlebt,was ihn berührt, was ihn verändert hat. Gewiß hat er die unendliche Gnade Gottes erfahren.
    GOUVERNEUR: Wir waren weniger um sein Seelenheil besorgt, als um seinen geheimen Auftrag. Ich denke, wir haben mit Sicherheit feststellen können, daß er unter den Männern des Hijaz keine Helfer und keine Helfershelfer gefunden hat. Das sollte uns zufriedenstellen. Aber wir haben trotz aller Bemühungen nicht herausfinden können, ob er Informationen gesammelt hat, die uns schaden können.
    SHARIF: Und weil wir das nie ergründen werden, sollten wir unseren Verstand ein klärendes Wort sprechen lassen. Dieser Fremde, er war nur ein einzelner. Was immer er erfahren haben mag, was kann ein einzelner Mensch schon ausrichten? Selbst wenn er ein Spion war, ein besonders geschickter und gerissener Spion, was kann ein einfacher Pilger schon beobachtet haben, wie könnte er die Zukunft des Kalifats und der heiligen Stätten, Gott möge sie noch ehrenvoller und erhabener machen, gefährden.
    KADI: Ruhm an Gott, der ihre Ehre aufrechterhält bis zum Tage der Wiederauferstehung.
    GOUVERNEUR: Hoffen wir, daß Sie recht haben, Sharif. Denn wenn das Kalifat seinen Einfluß im Hijaz verlieren sollte, werden Mächte einspringen, die weitaus weniger Verständnis haben für unsere Traditionen.
    KADI: Dagegen werden wir uns wehren.
    GOUVERNEUR: Mit Waffen oder mit Gebeten?
    KADI: Mit Waffen und mit Gebeten, so wie es unser Prophet, möge Gott ihn mit Frieden beschenken, getan hat. So ein Kampf würde unseren Glauben erneuern.
    SHARIF: Besser, es kommt nicht dazu. Wir sollten uns hüten vor überhasteter Erneuerung.
    GOUVERNEUR: Wir sollten nie vergessen, wieviel wir alle zu verlieren haben.
     
     
     
    Der Vollmond befreit ihn von der Achtsamkeit, die die unbeleuchteten Straßen von Mekka ihm ansonsten abverlangen. Er kann seinen Gedanken ohne Ablenkung folgen. Er verläßt Mekka mit Erleichterung und mit Bedauern. Die aufdringliche Begleitung von Mohammed wird er nicht vermissen. Erst am Abend zuvor hatte er ihn zum Geständnis gedrängt, daß er nicht derjenige sei, für den er sich ausgebe. Habe ich mich jemals für einen guten Menschen ausgegeben? hat er ihm geantwortet. Mohammed hat die Hände nach oben geworfen und ausgerufen: Euch Derwischen ist mit Worten nicht beizukommen. Vermissen wird er die Ruhe in der Großen Moschee, in der er sich hätte länger aufhalten wollen. Nicht ewig, wie manch ein anderer Pilger, aber einige Tage oder Wochen mehr. Ihm steht die Rückkehr bevor, wie bei jeder Rückkehr eine Reise ohne Höhepunkte. Ein schneller Ritt nach Djidda. Keine Gefahren auf dem Weg, Mohammed hat mal wieder Bescheid gewußt, hüte dich vor den Zöllnern, sie haben den Moskitos das Blutsaugen beigebracht. Dann die Überfahrt nach Suez, die hoffentlich bequemer sein wird als die Unbill auf dem Silk al-Zahab . Er gedenkt eine Weile in Kairo zu bleiben. Um sich langsam von der Hadj abzunabeln. In Kairo wird er seine Notizen dechiffrieren, die zerschnittenen Zettel zusammenkleben,

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