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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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und trotzdem waren sie stets an ihr Ziel gelangt. Halb blind manchmal, oder halb verrückt, gelähmt und gepeinigt, aber stets im vollen Bewußtsein ihres Erfolges. Und an diesem Tag hatten sie sogar ihre Fahne über Sansibar gehißt. Es hatte den alten Mann nicht überrascht, nahe dem zentralen Mast, inmitten all der hochrangigen Wazungu, den maßlosen Bwana Peters zu entdecken, der ihn damals zu Hause aufgesucht hatte, steif und vor Stolz erglüht in seiner prächtigen Uniform. Die Welt sah jetzt tatsächlich so aus, wie er sie sich vorgestellt hatte.
    – Was schüttelst du den Kopf?
    – Ich schüttele den Kopf über einen gewissen Herrn, der mich immerzu mit dummen Fragen belästigen muß.
    – Andere Fragen würdest du nicht verstehen.
    – Woher weißt du das? Du hast es nie ausprobiert.
    – Assalaamu Alaikum.
    – Waleikum is-salaam.
    – Ist die Welt in Ordnung?
    – Sie ist es und ist es doch nicht.
    – Der Familie geht es gut?
    – Das Haus ist voller Gesundheit.
    – Wie voll Gold?
    – Wie voll Gold, voll Korallen, voll Perlen.
    – Und voll Glück?
    – Hem!
    – Marhaba.
    – Marhaba.
    – Es gelüstet mich nach einem starken Kaffee.
    – Sei willkommen.
    – Sollte er mir schmecken, werde ich dir anvertrauen, was ich über den Schatzmeister des Sultans erfahren habe.
    – Mit der Fahne des Sultans wird man bald Staub wischen.
    – Deswegen hat der Schatzmeister seine Dienste den Wazungu angeboten.
    – Bei denen kann man mit Herkunft allein keinen Eindruck schinden. Bei denen zählt nur, was du zu leisten vermagst.
    – Die brauchen auch ihre Blutsauger, und wer wäre besser dazu geeignet als der altbewährte Schatzmeister. Wer den Gestrigen gut gedient hat, der wird den Künftigen noch besser dienen.
    – Recht hast du, ich gebe es sofort zu. Jetzt nimm endlich Platz, sonst denken die Leute, wir hätten uns verkracht, und als nächstes fangen sie an, deinem Geschwätz Glauben zu schenken.
    – Deine Güte zeichnet dich aus.
    – Eine alte Gewohnheit, von der ich mich schlecht befreien kann. Ich habe gerade nachgedacht, sag jetzt nichts, unterbrich mich nicht gleich, ich habe über das Selbstvertrauen der Wazungu nachgedacht,wie schlecht habe ich sie am Anfang gekannt, wie wenig habe ich sie verstanden, und heute, heute haben sie uns ihre Fahne gezeigt, an dem höchsten Mast der Insel. Überhaupt, bei der ersten Reise war alles wie eine Offenbarung … ach, Salim, komm zu mir, komm, mein Kleiner, setz dich zu uns … eine Offenbarung, die nicht völlig unerwartet kam, denn das war es, was mich mitgehen ließ, diese Zuversicht, die mir der eine, der dunklere Mzungu von Anfang an gab, diese Zuversicht, an seiner Seite überall hingelangen zu können. Erst später stellte ich fest, sie brauchten uns, um dort hinzugelangen. Aber sie waren voller Zuversicht. Verstehst du das?
    – Kanntest du Großmutter schon?
    – Nein, Salim, ich kannte deine Großmutter noch nicht, aber eines kannst du mir glauben: Ich bin nicht losgezogen, um sie kennenzulernen. Es war vielmehr so, als hätten mich die Ahnen gerufen, zurück in das Land, aus dem ich stamme und in das ich nie zurückgekehrt war. Etwa so alt, wie du jetzt bist, mein Morgenschein, so alt war ich, als sie mich jagten, als sie mich einfingen, als sie mich verschleppten, Araber mit schweren Gewändern und lauten Gewehren, von denen wir schon gehört hatten, oh ja, vor denen wir gewarnt worden waren, aber glaubst du an den Dschinn, dem du noch nie begegnet bist? Hast du schon einmal einen Dschinn gesehen? Was wirst du tun, wenn er dich überfällt, mein Sonnenlicht? Du weißt es nicht! Sie fielen über uns her, schneller als der Tod, sie waren überall, sie schossen mit ihren lauten Gewehren, und sie brüllten Befehle, die sich einbrannten in meine Ohren, wunde Befehle, vermischt mit den Schreien unserer Mütter und Großmütter und Schwestern, die sich einbrannten in meine Ohren, und heute noch, wenn ich einen Schrei höre, ähnlich den Schreien damals, einen Kesselflicker, der seinen Diener beschimpft, einen Perlensucher, der müde und schlechtgelaunt nach Hause kommt, dann höre ich alles wieder, jeden der Schreie, und sehe alles wieder, ich sehe unsere Sohlen zum See fliegen, oh ja, ich sehe die Sohlen meiner Angst. Wer weiß, warum wir am See Rettung suchten, anstatt uns im Wald zu verstecken, wie es andere taten, so vermute ich, denn nachher, als wir aneinandergereiht waren, die Hände an einen Balken gekettet, fehlten einige meiner Brüder, sie

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