Der Weltensammler: Roman (German Edition)
schweigen sich aus über ihn und seine Leistungen.
Der Strand ist von der Sonne verlassen; ein sich ausdehnendes Grau. Er ist nicht mehr alleine, er nähert sich einem Rudel Hunde, deren Pfoten vom Meerwasser umspült werden. Ihre Schnauzen sind blutverschmiert, und bevor er sich über den Grund Gedanken machen kann, sieht er die verwesende Leiche, auf die sie sich gestürzt haben, dankbar für das Geschenk, ihre Augen voller Argwohn, ob ihre Beute, hell wie ein Thunfisch, vor diesem Eindringling sicher sei. Verdorbene Ware werfen Sklavenhändler über Bord, denkt er. Das Sterben und Beerben überlassen sie dem Meer. Wer auf einem Boot ans Land gebracht wird, ist geldgesund. Der einkalkulierte Verlust wird mit Verspätung angeschwemmt. Burton wendet sich ab – es ist höchste Zeit, sich von Sansibar zu verabschieden.
Auf der Terrasse des Hotels Afrika sitzt, wie erwartet, John Hanning Speke, für seine Freunde Jack. Mit einem Sundowner in der Hand betrachtet er genüßlich das Städtchen. Wahrscheinlich amüsiert er die Saufrunde von Landsleuten, Kaufmänner zumeist, Vertreter von Reedereien, mit Jagdgeschichten aus dem Himalaja. Erstaunlich, was er in Tibet alles erlebt hat, wenn man bedenkt, wie gerne er sich auf dieser Terrasse aufhält. Von hier aus wirken die Köter am Strand wie herumtollende Kinder. Wenn er ihm dies vor Augen halten würde, Speke würde ernsthaft erwidern: Sansibar ist zu klein, zu arm an wilden Tieren, was soll ich mich da in der Hitze plagen. Burton hat den ovalen Tisch an der Brüstung fast erreicht, die Kellner stehen starr im Hintergrund – kostümiert wie nach einer flüchtigen Lektüre von Tausendundeiner Nacht –, als Speke seinen Kopf wendet und ihn bemerkt. Sofort unterbricht er seinen Redefluß und ruft einen viel zu lauten Gruß aus, so als wolle er alle am Tisch Versammelten auf den unerwarteten Besucher aufmerksam machen.
– Du bringst uns gute Nachrichten?
– Wir haben gehört, die Expedition steht.
– Da haben wir ja das Problem. Es soll endlich losgehen.
– Na, dann viel Glück.
– Wenn Sie nach Sansibar zurückkehren, werde ich ein Fest veranstalten, Herrschaften, so etwas haben Sie noch nicht erlebt.
– Bei seinem Geiz muß man vermuten, er setzt nicht auf Ihre Rückkehr.
– Ich kann das Mißtrauen der Araber geradezu riechen.
– Wir stehen unter dem persönlichen Schutz des Sultans.
– Das stimmt nur bedingt, Jack. Im Orient ist ein Ehrenwort, feierlich gegeben, eine reine Absichtserklärung, eine Garantie möglichen Verhaltens.
– Wie wahr, wie überaus wahr! Ich würde mich an Ihrer Stelle, Gentlemen, keine Minute auf diese Belutschen verlassen, die der Sultan Ihnen mitgibt. Selbst wenn es gute Männer sein sollten, was ich sehr bezweifele, ich weiß nicht, in welchem Rausch der Sultan auf die Idee kam, ihnen Musketen in die Hände zu drücken, ein jeder von denen arbeitet auf eigene Rechnung.
– Einer meiner Gewährsmänner berichtet übrigens, daß am Hofe eifrig gegen Sie intrigiert wird. Einige seiner engsten Berater haben dem Sultan eingeredet, Ihre Expedition sei für das britische Empire ein Vorwand, in Ostafrika Fuß zu fassen. Langfristig. Am Ende stünde seine Entmachtung.
– Sie fürchten um ihr Handelsmonopol.
– Vor allem fürchten sie um ihren einträglichen Sklavenhandel. Sie verfolgen die Nachrichten aus Europa, sie wissen besser Bescheid, als wir meinen.
– Sollen sich fürchten. Ich bin ein großer Fürsprecher der Furcht.
– Richard, wir haben viel gehört von Ihren erstaunlichen Leistungen. Wir sind voller Bewunderung, das können Sie mir glauben. Aber seien Sie trotzdem auf der Hut. Bislang sind Sie alles in allem durch zivilisierte Gebiete gereist. Da gab es Leute, die schreiben konnten, und Bauten, die älter waren als die letzte Regenzeit. Jetzt steht Ihnen eine Reise in die völlige Wildnis bevor, vielleicht sogar zu Kannibalen.
– Völlige Wildnis, gibt es so etwas überhaupt?
– Sie waren noch nicht in diesem Teil der Welt. Lassen Sie sich von Sansibar nicht täuschen. Hinter der Öde des Festlandes wartet keine geheimnisvolle Stadt auf Sie, kein Mekka, kein Harar oder wiesie sonst noch heißen mögen. Einzig ein wildes Land, das noch nie von Menschenhand gezähmt worden ist.
SIDI MUBARAK BOMBAY
– Heißen alle Menschen, die von diesem Ort dort drüben kommen, Bombay, Großvater?
– Nein, manche von uns nannten sich nach den Orten, aus denen sie stammten, an die sie sich erinnerten, sie
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