Der Weltensammler: Roman (German Edition)
wissen.
– Du hast ihm hoffentlich gesagt, von alldem stehe nichts im Glorreichen Koran?
– Ich habe geschwiegen, ich war erfahren genug, nicht gegen heilige Bücher anzukämpfen.
– Bitte erkläre mir, Baba Sidi, wieso sind die Wazungu gegen den Sklavenhandel, wenn sie überzeugt sind, wir seien als Menschen weniger wert?
– Die Wazungu sind gegen den Sklavenhandel?
– Gewiß, besonders Bwana Burton, er hat die Sklaverei mit kräftigen Worten abgelehnt, oh ja, er hat sie verachtet, und doch hat er es hingenommen, wenn Sklaven zu unserer Karawane hinzustießen, und als ich ihn fragte, wie er gegen die Sklaverei sein könne, obwohl er sich gleichzeitig der Sklaven bediene, erklärte er mir, es gebe nicht genug freie Männer, die zu arbeiten gewillt seien, er habe keine andere Wahl, also zahle er den Sklaven Lohn und behandele sie wie freie Männer.
– Er dachte wohl, wenn er Sklaven wie Freie behandelt, werden sie frei.
– Das ist wie mit den Almosen. Wenn dich einer reich beschenkt, wirst du dann zu einem reichen Mann?
– Er hat behauptet, er könne Said bin Salim und die Belutschen und die zwei Banyan nicht daran hindern, Sklaven zu kaufen. Er habe Einspruch erhoben. Einspruch erhoben! Habt ihr das gehört, meine Freunde. Der König der Karawane, er klopft vorsichtig den Männern auf die Schulter, die von ihm abhängig sind, die ihm untergeben sind, und er bittet sie höflich, es mit der Sklaverei nicht zu übertreiben, und die Abhängigen, sie antworten, unser Gesetz erlaubt es uns aber, antworten sie voll selbstgerechter Entrüstung, und der König der Karawane zieht sich zurück, er fragt nicht einmal nach, ob das stimmt, er sagt sich, ich habe getan, was ich tun konnte, er beruhigt sein Gewissen, ich habe diesen Wilden klargemacht, wie entschieden wir die Sklaverei ablehnen.
– Die Heuchelei gedeiht.
– Und sie geht noch besseren Zeiten entgegen.
– Ich sagte zu ihm: Du verstehst nicht. Es ist ein Zustand, der völlig aus der Welt geschafft werden muß. Es geht nicht nur um das Leid einiger Menschen, hier und heute. Es geht um das Leid der Hinterbliebenen und ihrer Nachfahren. Wenn der Schmerz und der Schrecken einmal in den Boden gesickert sind, wie sollen sie je wieder vertrieben werden, wer wird das Land reinigen? Wer wird es vorden Keimen der Gewalt bewahren, die in den Nachfahren aufgehen werden, in den Enkeln und in den Urenkeln, die eine andere Sonne sehen müssen als jene, die ihre Vorfahren gesehen haben.
– Und Bwana Burton, was sagte er?
– Du redest wirr, sagte er, der Mganga hat dir den Kopf verdreht! Es kann sein, vielleicht hat er mir den Kopf verdreht, antwortete ich, aber ich weiß, ich schaue nun in die richtige Richtung.
Er steht im Wasser, hüfttief, im trüben Wasser, und jedesmal, wenn er seinen Arm hineintaucht, berührt er etwas Glitschiges. Eigentlich ist es nicht unangenehm, eher unvertraut. Schlamm, wohin sie treten. Sie müssen – mit mulmigen Gefühlen – durch ein Dunkel waten, das ihre Beine schluckt. Er steht im Wasser und fragt sich, ob sie einen Fehler gemacht haben. Als sie an dem breiten, ruhig dahingleitenden Fluß standen und sich überlegten, wo sie ihn überqueren sollten. Vielleicht dort, wo das Wasser zwar tiefer war, sie aber den Fluß überblicken konnten. Bestimmt nicht hier, wo sie sich verlieren könnten, so dicht bewachsen ist dieses Binnendelta. Die Landschaft ist völlig unberührt. Als treibe der Fluß, dem sie folgen, in die Zeit vor der ersten Sünde, als kehrten sie zurück in die frühesten Anfänge der Welt, als die Pflanzen nach Belieben wucherten und Baumriesen über alles herrschten. Der Fluß, der Malagarasi heißt, so haben sie es verstanden, führt zum See.
Snay bin Amir hat ihnen einen Führer mitgegeben, einen jungen Mann, halb Araber, halb Nyamwezi, und es hatte am Anfang den Anschein, als führe der selbstbewußte Mann sie gut, bis sie herausfanden, daß er ihnen einen Umweg von mindestens drei Tagesmärschen aufgebürdet hat, damit er seine Frau besuchen konnte. Und dann wollte er sich nicht mehr von ihr trennen, so daß er ihnen seinen Neffen als Führer andiente, der sie ebenfalls voller Selbstvertrauen in die Irre leitete, dieses Mal allerdings ohne Absicht. Burton beschloß, den Nichtsnutz zurückzuschicken und einfach dem Fluß zu folgen, der zu jenem Zeitpunkt mehr Vertrauen erweckte: breit, von Palmen gesäumt, die im Wind knisterten, die Borassus,von Sklavenhändlern gepflanzt, so hat Snay bin
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