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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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der Muscheln hinweg. Und als der Maharaja über die Brücke schritt, salutierten sie mit Schüssen. Die Schüsse waren die lauteste Ehrung des Festtages, alle waren äußerst zufrieden.
    – Gut, genug, ich war dabei, ich weiß, wie die Firengi ihre Macht demonstrieren. Er hatte also Zeit, er war neugierig, und du hast einen Lehrer für ihn aufgetrieben. Einen geeigneten Lehrer, wie es sich anhört, einen Lehrer von großer Gelehrsamkeit.
    – Der beste Lehrer in Baroda. Durch seine Anleitung lernte Burton Saheb unsere Sprachen schnell. Er reiste ein Jahr später nach Bombay, und er glänzte in den Prüfungen, in Hindi und Gujarati. Danach verdiente er auch etwas mehr Geld.
    – Das hat er dir gesagt? Das mit dem Geld. Er muß dir wirklich vertraut haben.
    – Ansonsten änderte sich wenig. Er übersetzte manchmal beim Gericht. So wie ich ihn kenne, bin ich mir nicht sicher, wie genau er übersetzt hat. Er saß den größten Teil des Tages zu Hause, wie gehabt. Er hatte keine andere Aufgabe, als zu lernen. Er war fleißig, er hat geschuftet wie ein Ochse in einer Ölmühle. Im nächsten Jahr wiederholte sich alles, er ließ sich in Bombay erneut prüfen, dieses Mal in Marathi und Sanskrit. Er hat erneut bestanden, mit Auszeichnung, und er kehrte wiederum nach Baroda zurück, um an seinem Schreibtisch zu sitzen und von mir umsorgt zu werden. Irgendwann werden ihm die Sprachen ausgehen, dachte ich. Er war ein junger Mann. Doch dann, im dritten Jahr, mußten wir Baroda verlassen. Unerwartet. Das war für mich ein schwerer Schlag. Offensichtlich haben seine Herren bemerkt, wie wenig er zu tun hatte. Burton Saheb wurde versetzt, es hätte nicht schlimmer kommen können. Nach Sindh, in die Wüste, ans andere Ende der Thar-Wüste.
    – Warte, warte, warte. Wir wissen zuwenig über die Zeit in Baroda. Du überspringst zuviel. Es wäre wichtig zu erfahren, wie dieser Lehrer, wie heißt er noch einmal … Upanitsche … wie er Burton Saheb unterrichtet hat.
    – Was hat der Lehrer mit meiner Arbeit gemein? Wieso sollen wir uns damit aufhalten?
    – Schließlich hast du ihn ausfindig gemacht, es ist nicht zuletzt dein Verdienst, wenn der Angrezi so erfolgreich gelernt hat.
    – Der Lehrer, Upanitsche Saheb, wie ich schon gesagt habe, er war kein üblicher Munshi. Er hat behauptet, Burton Saheb könne nicht wie ein Gujarati sprechen lernen, wenn er nicht wie ein Gujarati esse. Und dann hat er ihm nahegelegt, er solle auf Fleisch verzichten, mehr Gemüse und Nüsse und Früchte essen, öfter kleine Portionen, und nicht diese schweren Mahlzeiten. Die Firengi bildeten sich ein, sagte er, sie hätten Mägen wie Elefanten. Burton Saheb nahm diese fremden Regeln an, er änderte sein Essen, er wies mich an, den Koch entsprechend zu unterweisen, und der Koch war gar nicht glücklich darüber, er war so stolz darauf, einige Gerichte der Firengi gelernt zu haben.
    – Ich habe noch nie gehört, daß ein Angrezi so viel arbeitet. Früher hießen sie, ich weiß nicht, ob du dich daran erinnern kannst: jene, die nicht arbeiten müssen.
     
     
     
    10.
    EINER, DER WIE EIN FELSEN SITZT
     
    Endlich ein Auftrag, der den Alltag aufbrach, den schon nach einer Woche starren Alltag. Er sollte einem Vertreter der Ostindischen Gesellschaft Begleitschutz bieten, ihn wohlbehalten nach Mhow bringen, wo der andere Teil seines Regimentes stationiert war. Der Auftrag war leicht zu erfüllen. Immerhin würde er die Stadt verlassen können, solange die kühlere Jahreszeit währte. Bevor sie aufbrachen, sprach der Mann ein Gebet, eines jener Gebete, die den Anschein erweckten, Gott habe eine persönliche Vormundschaft über diesen seinen Schutzbefohlenen übernommen. Er verlor kein Wort über seine Arbeit – vielleicht hatte er, als lizenzierter Händler, derOpium aus Malwa nach China verschiffte, den Gürtel seines Gewissens etwas lockern müssen. Sie nahmen den Weg nach Osten, in Richtung des Narmada-Flusses. Zu ihrer Linken trottete eine Ziegenherde. Sie erreichten Kelenpur, ein Dorf. Dann Jambuwa, ein Fluß ohne Wasser. Was hat es zu bedeuten, daß die Flüsse alle weiblich sind? Lauter Göttinnen, um genau zu sein. Burtons Versuch, eine Konversation in Gang zu bringen, wurde mit einem mißbilligenden Blick quittiert. Unweit des Wegrandes saßen einige Entwurzelte mit Frauen und Kindern, kochten an einem Lagerfeuer. Sie erreichten Dhaboi, ein altes Fort, dessen Baumeister in den Festungsmauern lebendig eingegraben wurde. Ein Grunzen war die einzige

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