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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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auf die Übersetzung?
    – Sie wird sich nicht so überzeugend anhören wie das Sanskrit.
    – Sie haben recht, lernen Sie dieses Mantra einfach auswendig. Die Bedeutung kann später folgen. Sie wirkt, Sie werden es sehen, sie wirkt Welten.
    – Sie wirkt Welten?
    – Sie werden mich dort vorne absetzen, ich gehe den restlichen Weg zu Fuß, alleine. Morgen kommen Sie zu uns nach Hause, zu einem einfachen Essen.
    – Ich danke für die Einladung.
    – Danken Sie mir nicht. Dank ist wie Geld. Wenn man sich besser kennt, kann man sich Wertvolleres geben. Ich habe eine Bitte. Ich weiß nicht, wie die Nachbarn reagieren werden, wenn wir einen britischen Offizier zu Gast haben. Ich möchte sie schonen. Vielleicht könnten Sie sich etwas Einheimisches überziehen. Ich weiß, ich verlange viel, aber sehen Sie das als Teil Ihrer Sprachausbildung an. Sie werden mit den Leuten einfacher ins Gespräch kommen. Sie müssen nur irgendwo stehenbleiben, nach wenigen Minuten werden Sie erste Freundschaften geschlossen haben.
    – Mein Gujarati ist doch nicht ausreichend.
    – Wie sollte es auch. Sie sind ein Reisender. Sie stammen aus dem, lassen Sie mich überlegen, aus dem Kaschmir! Ja, Sie sind Brahmane aus dem Kaschmir. Und wenn jemand Sie fragt, was für ein Brahmane, dann sagen Sie Nandera-Brahmane.
    – Nandera.
    – Und wenn jemand Sie fragt, was für einer Gotra Sie angehören, dann sagen Sie Bharadwaj.
    – Bharadwaj.
    – Und wenn jemand Sie nach der Familie fragt, dann sagen Sie …
    – Upanitsche!
    – Wieso nicht, ein entfernter Verwandter, der von dem Ruhm dieses Guruji gehört hat und ihn deswegen aufzusuchen wünscht. Hervorragend.
    – Und wenn ich einem Kaschmiri begegne?
    – Dann geben Sie sich als hochrangiger Offizier der Jan Kampani Bahadur zu erkennen und drohen, den Mann ins Gefängnis werfen zu lassen, wenn er Sie verrät.
    – Ist es denn nicht allgemein bekannt, daß Sie Umgang mit den Firengi pflegen?
    – Früher, mein Shishia, früher. Die Zeiten ändern sich. Die Gleichgültigkeit weicht einer neuen Ablehnung. Ich höre Menschen mit viel Haß über die Briten sprechen.
    – Sie übertreiben. Es kann nicht so schlimm sein.
    – Vielleicht. In solchen Fragen ist die Übertreibung nützlich. Ich gebe zu, meine Absicht hat mehrere Väter. Ich würde dem Nachbarn gerne einen kleinen Streich spielen. Und dem Barbier auch. Ich möchte Sie als Gelehrten aus Kaschmir vorstellen, um das verdutzte Gesicht der beiden zu sehen, wenn ich ihnen später gestehe, mein Gast sei ein Angrezi gewesen, nachdem sie mir ausgiebig und blumig erklärt haben, was für ein typischer Kaschmiri Sie doch seien. Kommen Sie früh, wir essen nur einmal am Tag ein richtiges Mahl, wir werden uns ein spätes Mittagessen gönnen, und Sie können sich mit der Dämmerung auf dem Heimweg machen.
    – Ao-jo, Guruji.
    – Ao-jo. Ah, noch etwas. Bringen Sie bitte keine Bücher mit.
    Burton hatte hinter dieser Bitte einen ihm unverständlichen Scherz vermutet. Doch kaum betrat er – verkleidet als Einheimischer, so bald hatte sich der ersehnte Anlaß ergeben – die Wohnung des Lehrers, sah er, daß Bücher wirklich das letzte waren, was dieser Haushalt benötigte. Die Ehefrau von Upanitsche, kleiner noch als ihr Ehemann und mit einem Gesicht gesegnet, auf dem ihre Gefühle offen in Erscheinung traten, begrüßte den Gast herzlich. Aus was für Gründen auch immer, sie vermutete in diesem Shishia einen Mitstreiter zu finden in ihrem offensichtlich aussichtslosen Kampf gegen die unzähligen Bücher ihres Mannes, die sich in schiefen Kolonnen neben den Sitzkissen erhoben. All diese verstaubten Bücher, sagte sie laut, den Gast im Visier, kannst du sie nicht wegwerfen? Du hast sie seit zehn Jahren nicht mehr angerührt. Na und? erwiderte Guruji. Dich habe ich auch seit zehn Jahren nicht mehr angerührt. Soll ich dich etwa wegwerfen? Burton war entsetzt, er wußte nicht, wohin er schauen sollte. In was war er hineingeraten? Wie sollte er sich aus der peinlichen Situation retten? Er hörte die beiden Alten lachen, rückhaltlos lachen, und als er aufblickte, zwinkerte Upanitsche ihm zu.
    – Du schläfst mit deinen Büchern.
    – Bist du eifersüchtig?
    – Du hättest ein Buch heiraten sollen, nicht mich.
    – Hätte das Buch mir Söhne geschenkt?
    – Du hast kein Herz.
    – Sondern ein dickes schwarzes Buch an der Stelle, ich weiß.
    – Dein Herz schlägt nicht, es muß aufgeschlagen werden.
    – Hast du deswegen lesen gelernt, Mutter meiner

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