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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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gleich. Das ist mir sofort aufgefallen. Wir sind Geistesbrüder. Wie heißen Sie?
    – Upanitsche.
    – Und Ihr Rufname?
    – Mein Rufname, ja, ich heiße … Ramji.
    – Es ist mir eine Ehre. Mein Name ist Suresh Zaveri. Sie finden mich auf dem Goldmarkt. Wir sollten unser Gespräch fortsetzen.
    Als Burton aus dem Haus trat, war es schon spät. Nach wenigen Schritten kam ihm der Lampenanzünder des Viertels entgegen. Er trug eine Leiter auf seiner Schulter und eine Ölkanne in der Hand. Burton grüßte ihn überschwenglich. Der Mann erwiderte den Gruß leise, dann lehnte er die Leiter gegen einen der Holzpfosten und stieg zu der mit Teer bedeckten Spitze auf.
     
     
     
    19.
    NAUKARAM
     
    II Aum Kshipraaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
    – Ich habe nachgedacht. Ich habe nach etwas gesucht, das meinen Wert auch dem dümmsten Angrezi begreiflich macht. Burton Saheb war ein Spitzel. Nicht in Baroda. Später, als wir im Sindh lebten. Ein wichtiger Spitzel. Einer der wichtigsten. Ich muß Ihnen sagen, erhatte jederzeit Zugang zu dem General der Angrezi. Er führte lange Gespräche mit ihm. Wissen Sie, wie es dazu gekommen ist? Ich war wesentlich daran beteiligt. Zusammen mit Guruji. Wir haben ihn zum Spitzel gemacht.
    – Schämst du dich dessen nicht?
    – Ich habe mich schlecht ausgedrückt. Wir haben ihn nicht zur Falschheit angestiftet. Wir haben angeregt, daß er unsere Kleidung anzieht, daß er sich wie einer von uns gibt. Guruji hat ihn einmal darum gebeten. Er hat sich eine Kurta von mir ausgeliehen.
    – Wenn das kein Zeichen von Vertrautheit ist.
    – Er war so aufgeregt, nach seinem Besuch bei Guruji und seiner Frau. Ich war skeptisch gewesen, als er sich die Kurta übergezogen hat. Als er vor mir stand, in der Verkleidung, ich mußte fast lachen. Die Hosen waren ihm zu lang, er sah aus wie eine Vogelscheuche. Aber ich hatte etwas Entscheidendes übersehen. Ich wußte, der Mann vor mir war Burton Saheb. Ich hatte nicht berücksichtigt, wie ihn jene sehen würden, die das nicht wußten. Er hat sich etwas Henna-Öl ins Gesicht und auf die Hände und die Füße gerieben, und dann ist er mit einer Tonga in die Stadt gefahren. Er kehrte nach Einbruch der Dunkelheit zurück. Er war aufgeregt. So aufgeregt hatte ich ihn selten gesehen. Er wollte mir alles erzählen. Wie sie ihn alle für einen Kaschmiri gehalten haben. Wie wohl er sich in der Rolle gefühlt habe. Wie er in der Ecke gesessen habe, zugehört habe, wie er irgendwann vergessen habe, daß er eigentlich nicht dazugehört. Er redete und redete, und mir wurde klar, ich hatte seine Verkleidung falsch beurteilt. Er mußte sich nur als einer aus dem Himalaja ausgeben, schon sah er aus wie einer aus dem Himalaja. Sogar seine Aussprache stimmte. Nicht völlig falsch, gerade so, daß es ihn entlarvte.
    – Hast du schon einmal einen Kaschmiri Gujarati sprechen hören?
    – Nein.
    – Woher willst du dann wissen, daß seine Aussprache zu der Verkleidung paßte?
    – Wie ich es mir vorgestellt habe. So klang es. Einige Tage später sind wir zusammen über den Basar gegangen. Er wollte, daß ichden Herrn gebe und er den Diener. Er hat mir eingeschärft, bevor wir aufgebrochen sind, ihm gegenüber keinerlei Respekt an den Tag zu legen. Wir sollten glaubwürdig wirken. Er hat darauf bestanden, daß er die Einkäufe trägt. Ich war still, ich habe mitgespielt. Es hat ihm nicht ausgereicht. Auf englisch hat er in mein Ohr gezischt, ich solle ihn heruntermachen, laut, damit es alle hören. Ich habe begonnen, über seine Faulheit zu schimpfen. Zaghaft zuerst, dann begann ich, Gefallen daran zu finden. Ich habe über seine Unaufrichtigkeit geschimpft. Vielleicht habe ich ein wenig übertrieben. Da rief uns ein Mann zu sich, er stand vor einem Juweliergeschäft. Er kannte Burton Saheb anscheinend, er redete ihn mit dem Namen Upanitsche an. Er war sichtbar verstimmt darüber, daß Burton Saheb ein Diener war. Soweit ist es gekommen, lamentierte er, in unserem Bharat, daß die gebildeten Menschen sich an die Verräter verkaufen müssen, daß sie vor den Überläufern kuschen. Und er sah mich an, als wollte er mich vertilgen.
    – Wirklich sehr komisch.
    – Für mich war es nicht lustig. Nicht danach. Burton Saheb war böse auf mich. Obwohl ich genau das getan habe, was er gewünscht hat. Er hatte nicht damit gerechnet, diesen Bekannten zu treffen. Nun konnte er ihn nicht mehr aufsuchen, er hatte seine Hochachtung verloren. Wie hätte er

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