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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Söhne?
    – Längst hätte ich es auswendig gelernt, wenn du nicht ständig etwas Neues hineinschreiben würdest. Ich komme nicht nach. Ich habe aufgegeben. Vor zehn Jahren!
    Wieder lachten sie zusammen, und dieses Mal teilte Burton ihr Lachen. Er merkte auf einmal, wie wohl er sich fühlte bei diesem alten Ehepaar, das seine Zweisamkeit mit schonungslosen Scherzen wach hielt. Wann reichst du uns etwas Nahrhaftes? Merkst du nicht, ich rede. Du redest immer, wenn es nach dir ginge, würde unser Gast verhungern. Upanitsche hatte an diesem Abend keine Geduld mit dem Ernst. Einer unserer berühmtesten Dichter hatte mehrere Frauen. Er ist ein Vorbild, viele eifern ihm nach, und ich vertrete schon seit geraumer Zeit gegenüber meiner Frau die Meinung, ich könne kein großer Dichter werden, solange ich nur eine Ehefrau habe. Wissen Sie, was sie mir antwortet? Werde du erst einmal ein großer Dichter, dann kannst du dir auch weitere Frauen nehmen! Burton hörte ihr Lachen in der Küche plätschern. Upanitsche lehnte sich zufrieden zurück, ließ seine Rechte langsam über seinen weißen Bart gleiten, bevor er die Stille mit dem nächsten Scherz verscheuchte. Sie lachten über diesen im Gleichschritt, sie lachten so heftig, Burton mußte sich nach vorne beugen, die Hände über den Bauch verschränkt, seine Augen nahe den Augen des Lehrers, die heraussprangen, über den Tisch rollten, sich vervielfachten und von Upanitsches knorrigen Fingern wieder aufgehoben wurden, als Gebetskranz. Was war in der Milch? fragte Burton mit auslaufendem Grinsen. Oh, Bhang natürlich, mein Shishia. Wir wollen, daß Sie sich wohl fühlen bei uns. Die zierliche Frau Upanitsche stand vor ihnen, eine Fee mit zwei Thali-Tabletts in der Hand. Sie erklärte ihm, was sich in den fünf kleinen Schüsseln befand. Er fischte die Okrastücke, gedünstet und milde gewürzt, mit einem Chapati einzeln aus einer der Schüsseln, während Upanitsche in das Dorf jenes Mädchens schlich, mit dem er vermählt werden sollte, ein Jüngling, der sich hinter Bäumen versteckte, um einen Blick auf sie zu erhaschen,und dieser flüchtige Augenschein blieb der letzte bis zum Tag der Hochzeit, bis zu dem Augenblick, als sie sich gegenübersaßen, Priester und Verwandte zu allen Seiten, und das Tuch gelüftet wurde, das ihren Kopf und ihre Schultern verdeckt hatte. Warst du entsetzt? fragte sie. Ich muß zugeben, aus der Ferne hast du mich beeindruckt. Aber aus der Nähe, mein Herz flatterte auf und hat sich seitdem nicht mehr beruhigt. Es klopfte an der Tür. Die Nachbarn, um dem gelehrten Mann aus dem Kaschmir ihren Respekt zu bekunden. Sie lobten sein Gujarati. Später führte Upanitsche den Schüler nach unten, stellte ihn dem Barbier vor und bat diesen, ob sein Gast eine Weile bei ihm bleiben dürfe, denn er selbst müsse einen wichtigen Brief verfassen. Wie Sie sehen, habe ich wenig Platz, entschuldigte sich der Barbier. Burton blieb lange sitzen, im hintersten, dunklen Eck dieses engen Raumes. Er konnte sich kaum mit dem Barbier unterhalten, denn die Kunden traten regelmäßig ein. Die Rasur endete mit einer kurzen Kopfmassage und einigen sanften Backpfeifen. Burton döste ein, bis eine übergewichtige Stimme ihn aus dem Schlummer herausriß. Eine Stimme, die zu schimpfen begann. Der Barbier versuchte, den Redeschwall des Kunden zu stoppen, zumindest umzuleiten. Vergebens.
    – Früher mußten wir nur einen Schmarotzer ernähren.
    – Ha.
    – Nun sind die Firengi hinzugekommen.
    – Ha.
    – Die Angrezi sind noch schlimmere Schmarotzer.
    – Ha.
    – Wir können nicht zwei Maharajas gleichzeitig füttern.
    – Ha.
    Aus der hinteren Ecke des Ladens meldete sich Burton zu Wort.
    – Wie recht Sie haben.
    – Are Baapre, du hast einen Gast!
    – Ein Mann von Bildung, aus Kaschmir. Zu Besuch bei Guruji.
    – Ich stimme Ihnen zu. Diese Angrezi überfallen uns, sie bestehlen uns, sie setzen sich fest wie Parasiten und erwarten, daß wir sie für alle Zeiten ernähren.
    – Du sprichst die Wahrheit, Reisender. Ihr Männer aus demKaschmir seid die Sklaverei nicht so gewohnt wie wir. Es ist wie mit jedem Parasiten. Egal, wieviel wir arbeiten, wieviel wir essen, als Wirt werden wir immer schwach und schmächtig bleiben.
    – Genauso ist es. Aber was können wir dagegen tun?
    – Wir müssen uns wehren.
    – Und wie?
    – Wir müssen jene gegen die Angrezi anstacheln, die Waffen haben, die kämpfen können. Sie wissen, wen ich meine?
    – Die Sepoy.
    – Ja. Wir denken

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