Der Weltensammler: Roman (German Edition)
konnte. Weil ich am Neumondtag geboren worden bin, flüsterte sie. Und ihre Augen platzten wie Feuerwerkskörper.
Als sie das nächste Mal beisammenlagen, sie auf ihm, sein Stöhnen verriet den Sturm, der sich in ihm zusammenbraute, hielt sie inne, bewegte sich nicht mehr, ließ ihre Hände auf seiner Brust liegen und begann zu sprechen, während sie auf seinem pulsierenden Staunen sitzenblieb, sprach in vollständigen Sätzen, in einem vertrauten Tonfall, der beiläufig erzählte, und doch seine ganze Aufmerksamkeit einforderte. Er mußte seine Stöße besänftigen, um ihren Worten folgen zu können, die von Kobrakurtisanen berichteten, deren Körper über Jahre an das Gift gewöhnt wurden, einen Tropfen zunächst, dann mehrere, die Menge wurde gesteigert, bis sie einen Teelöffel am Tag einnahmen. Schließlich waren sie in der Lage, ein Glas voller Gift zu trinken, ohne daß es ihnen schadete. Doch ihr Schweiß, ihre Spucke, ihre Liebessäfte waren so giftig, daß jeder, der mit ihnen schlief, zum Tode verurteilt war. Selbst wer eine ihrer Tränen abwischte und zum Mund führte, wäre gestorben. Verstehst du, sie durften sich ihrer Lust nur hingeben, wenn sie einen Mann ermorden sollten. Sie waren nichts anderes als gedungene Mörder im Dienste eines Herrschers. Sie durften niemanden lieben. Sie vergifteten jeden, der sie berührte, jeden, der sie küßte, unabhängig davon, ob sie ihn verachteten oder ob sie ihn liebten. Kannst du dir ihr Unglück überhaupt vorstellen? Burton lag unbewegt auf dem Bett, sein Glied eine Behauptung, die er zurücknahm. Sie kratzte über seine Brust. Die Geschichte ist nicht zu Ende,sagte sie. Es gab einen Dichter, vielleicht der begabteste des Landes, der sich in eine dieser Kurtisanen verliebte, kaum hatte er sie, die wohl schönste Frau jener Zeit, erblickt. Er war kein unbeherrschter, schwärmerischer Jüngling, nein, er war ein erfahrener Mann, er kannte die Regeln des Hofes und die Gesetze der Gefühle. Er quälte sich lange, er war voller Zweifel, ob er ihr seine Liebe gestehen sollte. Als er sich gerade dazu durchgerungen hatte, sprach sie ihn an, am Ufer des Jamuna. Sie wünschte, von ihm in Sanskrit unterrichtet zu werden. Allein diese Kenntnis fehlte ihr unter den Künsten, die einer Kurtisane zustanden. Er erhielt die Erlaubnis des Herrschers, sie täglich zu unterrichten. Kundalini lehnte sich nach vorne, ihre Haare streichelten über sein Gesicht, dann richtete sie sich wieder auf, ihre Hände verschwanden, er spürte ihre Fingernägel über die Innenseiten seiner Schenkel streichen. Höre gut zu, sagte sie. Die Kurtisane verliebte sich in den Dichter, allmählich, über die Jahre ihres gemeinsamen Studiums hinweg, so langsam, wie sie sich einst an das Gift gewöhnt hatte. Und eines Tages legte sie ein zweifaches Geständnis ab, ein Geständnis ihrer Liebe zu ihm und zugleich ein Geständnis ihrer Todzucht. Ich überlege mir oft, was der Dichter in diesem Augenblick gefühlt hat, da ihre wechselseitige Liebe ausgetragen wurde, als Stillgeburt. Er hat sich nicht von ihr abgewandt. Er beschloß, sich mit der Geliebten zu vereinen, auch wenn es nur für ein einziges Mal sein würde. Verstehst du, er hat es auf sich genommen, den Mißbrauch, der mit dieser Frau getrieben wurde, auszugleichen. Ein Schauder durchlief Burton. Und dann? Das ist das Merkwürdige, diese Geschichte kennt unzählige Fassungen, nur in einem sind sie sich alle gleich: Er starb, natürlich, aber im Sterben entspannten sich seine Gesichtszüge zu einer Glückseligkeit, die nur jene erfahren, die das Eingangstor zur Erlösung erblickt haben. Kundalini ließ von ihm ab, sie streckte sich neben ihm aus und zog mit dem Nagel ihres Zeigefingers über sein erschlafftes Glied. Das, mein Herr, sagte sie, war die Kunst, den Höhepunkt zu verzögern. Wenn du dich von meiner Geschichte erholt hast, können wir wieder anfangen. Er blickte sie mit neuen Augen an. Er hätte ihr gerne einen Kuß gegeben, in dem er vergaß, wer sie war, und warum siein diesem Zimmer lag. Er war nicht wie der Dichter. Er hatte in sich selbst eine Feigheit entdeckt, wo er sie am wenigsten vermutet hätte.
17.
NAUKARAM
II Aum Dhumravarnaaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
– Genug über Baroda, genug. Wir müssen noch vieles über den Sindh aufschreiben, über meinen Dienst dort. Das waren Jahre, in denen ich geschuftet habe und kaum Freude empfand.
– Einverstanden.
– Beachten
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