Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Scham gespürt, sie endeten damit, der Diener habe die Bubu vergiftet. Weil sie seine Liebe nicht erwiderte, weil er sich vor Eifersucht verzehrte. Er hat ihr Leben genommen, weil er es nicht aushalten konnte, sie in den Armen seines Herrn zu sehen.
– Nein, nie würde ich so etwas sagen. Nicht einmal vermuten. Sie verwechseln etwas. Diese Geschichte, die mein Freund vorgetragen hat, es war gar nicht Ihre Geschichte. Vielleicht wurde er angeregt von dem, was ich ihm erzählt habe, das kann ich nicht leugnen, bestimmt wurde er davon angeregt, aber er hat sie zu seiner eigenen Geschichte gemacht.
– Auf meine Kosten.
– Was schadet es Ihnen, das Geschwätz eines Manbhatt?
– Wer kann die zwei Geschichten auseinanderhalten? Jeder, der ein wenig weiß von mir, wird dieses Wissen vermengen mit dem Gift der Verleumdung.
46.
SOHN ZWEIER MÜTTER
Als Burton das erste Mal von ihm hörte, war der Mann unter seinem Namen begraben, unter dem Namen, der alle Beschimpfungen zusammenfaßte, die sie in der Stadt über ihn häuften. Er hieß der Bastard von Baroda. Er war nur unter diesem Namen bekannt. Es war schwer vorstellbar, daß er jemals einen anderen Namen getragen hatte. Er war ein Aussätziger, mit dem keiner, der etwas auf sich hielt, Berührung gehabt hätte, wäre er nicht gelegentlich, wenn die amtlichen Übersetzer verreist waren, zu Gericht bestellt worden. Diese Aufgabe erledigte der Bastard mit Bravour. Er schien die Angeklagten, die unwillig an dieser Darbietung teilnahmen, zu beruhigen. Er wußte den Wünschen des Richters mit erstaunlichem Feingefühl zu entsprechen. Die einheimischen Dialekte flossen aus ihm heraus, sein grammatikalisch korrektes Englisch hingegen klang, als habe er es zu lange in sich unter Quarantäne gehalten. Denn der Bastard von Baroda hatte ansonsten keinen Umgang mit Briten. Nur vor Gericht verwendete er das Englisch, das ihm sein irischer Vater beigebracht hatte, der desertiert war und ihn irgendwo hinter der nordwestlichen Grenze mit einer einheimischen Frau gezeugt hatte. Die Verachtung, mit der einst sein Vater bedacht worden war, war auf ihn übergegangen. Mit einem nicht unerheblichen Unterschied. Während sein Vater sich den Verdammungen entzogen und alles in allem ein beglücktes Leben geführt hatte, war sein Sohn ihnen hilflos ausgeliefert. Burton begegnete dem Bastard von Baroda zufälligauf der Straße. Er erkannte ihn an seiner Kleidung, an dem wilden Durcheinander, von dem er schon gehört hatte. Kein anderer würde eine abgenutzte Armeejacke tragen, die Löcher gestopft mit Fetzen in allen Farben, über einem langen Pathani aus rauhem Stoff, auf dem Kopf eine zerlöcherte Melone. Um sein Hirn zu kühlen, lautete einer der Scherze. Burton zwang sein Pferd zu einem langsamen Trott, der die Schritte des Mannes einholte, und er sprach ihn an, auf Hindustani. Ohne aufzublicken, erwiderte der Fußgänger etwas auf englisch. Burton beharrte auf Hindustani. Sprechen Sie englisch mit mir, sagte der Mann barsch. Wieso? Weil ich Brite bin. Du? Burton war erstaunt über die Unverfrorenheit. Wer sich hierzulande alles Brite zu nennen traut. Du bist ein Bastard, sagte Burton, bevor er seinem Pferd wieder die Sporen gab, nicht unfreundlich, unter Ausschluß jeglicher Widerrede. Und wie alle Bastarde, dachte er sich, vereinst du in dir das Schlimmste von beiden Seiten. So ist das Gesetz der Natur, das Negative setzt sich durch.
Der Bastard schien entschlossen, Burtons Einschätzung durch sein Verhalten zu bestätigten. Zum Geburtstag der Königin tauchte er vor der Regimentsmesse auf und verlangte Einlaß. Alle ihre Bürger sollten das Recht haben, diesen festlichen Anlaß mit ihr zu feiern. Er konnte sich glücklich schätzen, daß er nur am Kragen gepackt und auf die Straße gesetzt wurde. Er gab nicht leicht auf, dieser Bastard. Kurz darauf hörte man in der Regimentsmesse einen Ausruf, und eine zweite Stimme bestätigte die laute Verwunderung. Meine Güte, das ist doch nicht zu fassen! Sie scharten sich um die Späher am Fenster und starrten auf eine geradezu diabolische Unverschämtheit. Der Bastard saß am Rande der Straße, wo der ausgeblichene Rasen begann. Er hatte ein weißes Tischtuch ausgebreitet, und er legte Geschirr aus, aus Keramik, mit Efeublättern gemustert.
Gott weiß, wo er das aufgegabelt hatte. Er schenkte sich aus einer Kanne mit Schwanenhals ein wenig Tee ein, sie sahen die dunkle Farbe, es war nicht der hellbraune Tschai, den diese
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