Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Kerle ansonsten tranken. Er nahm den Henkel zwischen Daumen und Mittelfinger, mein Gott, er spreizte sogar den kleinen Finger, er beachtete nicht die Wachen, die um ihn herumstanden, die ihn anschrien, er schlürfte einen ersten Schluck. Die Teetasse wurde ihm aus der Hand geschlagen,der heiße Tee – ob aus Absicht oder unverschuldet – platschte einer der Wachen ins Gesicht. Die Tasse fiel zu Boden, sie brach nicht zugleich, sie wurde zerdrückt unter den Stiefeln der Wachen, die sich auf den schmächtigen Mann stürzten. Burton mußte mit einigen Kameraden hinauseilen, um zu verhindern, daß der Bastard totgeschlagen wurde. Er lag blutig inmitten der Scherben. Keiner wußte, wo der Bastard lebte, und es war undenkbar, ihn in die Messe hineinzutragen. Die Offiziere, die hinausgeeilt waren, standen eine Weile um ihn herum, dann machten sie kehrt, einer nach dem anderen, und zogen sich zur Feier des Tages zurück. Burton schielte immer wieder aus dem Fenster. Er konnte den Mann nicht dort draußen liegenlassen. Naukaram und einige der anderen Diener waren schnell gerufen. Sie trugen den Bastard zum Bungalow von Burton und legten ihn auf das Bett im Bubukhanna. Die Gegenwart der Affen würde den Ohnmächtigen nicht stören. Das Versprechen einer alten Flasche Port überzeugte den alten Huntington zu prüfen, ob nicht irgendwelche Knochen gebrochen waren, und einige Verbände anzulegen. Am nächsten Morgen war der Bastard verschwunden.
Von da an erschien er nicht mehr bei Gericht. Er verbrachte seine Tage an belebten Kreuzungen und predigte eine Wahrheit, die keiner verstand. Die Einheimischen ließen ihn in Ruhe, sie hießen ihn mit einer gehörigen Portion Respekt Qalander . Ein von Gott geküßter Narr. Eines frühen Morgens, an dem wichtigsten Markttag des Monats, kletterte er auf einen Baum an der Straße, die von Osten in die Stadt hineinführte, und schrie mit aller Kraft: Duniya chordo, Jesu Christo, pakro. Har har Mahadev. Entsagt der Welt und greift nach dem Heiland. Es lebe der Allmächtige. Alle Berichte sprachen ungläubig von der Ausdauer seiner Stimme. Er schrie diese Sätze noch immer, als die Händler am Nachmittag in die umliegenden Dörfer zurückkehrten. Niemand würde es wagen, das Verhalten eines Qalander vorherzusehen, und so überraschte es nur die Briten, daß der Bastard von Baroda eines Tages in einem Anzug herumlief, dessen Ärmel seine Hände schluckten und dessen Hosenenden über den Boden schleiften. Das Muster des Anzugs sah dem Union Jack bedenklich ähnlich. Eingehüllt in der Flagge Ihrer Majestät, stolzierte der Bastard einen Tag lang durch Baroda, er lungerte zum erstenMal seit den Prügeln, die er am Geburtstag der Königin bezogen hatte, vor der Regimentsmesse, bis er verscheucht wurde. Nicht ohne zuvor ausgerufen zu haben, keiner könnte ihn schlagen, das wäre ein Affront gegen die Heiligkeit der Flagge, gegen die Werte, die mit dieser Flagge flatterten. Die Verwunderung wandelte sich in heftige Empörung, als eine Meldung aus Surat die Lösung des Rätsels herbeitrug. Mitten in der Nacht sei vor einigen Tagen der Union Jack von dem Mast am Eingang des Cantonment gestohlen worden. Es dauerte nicht lange, bis die ausgesandten Sepoys – die Entrüstung war nicht so heftig, daß es die Offiziere aus dem Schatten herausgetrieben hätte – den Bastard fanden. Keinen Augenblick zu spät, denn er war gerade damit beschäftigt, einen Fetzen der Flagge einem Straßenköter anzulegen, den er regelmäßig fütterte. Der Bastard wurde ins Gefängnis geworfen, und es gab nicht wenige, die der Ansicht waren, dort wäre er bestens aufgehoben, bis er das Antlitz der Welt von seiner Anwesenheit befreite. Burton war der einzige, der sich für ihn einsetzte, zur Verwunderung aller. Der Bastard solle freigelassen werden, argumentierte er, er sei nicht schuld an seinem Verderben, das hätten seine Eltern ihm in die Wiege gelegt, und anstatt über die arme Kreatur zu schimpfen, sollten sie alle lieber die Lehre aus diesem unappetitlichen Fall ziehen, daß nämlich das Blut des Westens sich nicht mit dem Blut des Ostens vermischen sollte, eine Mischung, die beide Seiten zerfetzt, meine Herren, wie unser Union Jack schmerzhaft erfahren mußte.
47.
NAUKARAM
II Aum Dvaimaturaaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
Er mußte nur noch eine letzte Blöße bedecken. Nicht der Rede wert. Man konnte sagen, er war soweit. Der erste Teil seiner Dichtungwar so
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