Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Gottes.
– Und was sollte ich daran verachten?
– Ich kann nicht mehr sagen.
– Im Gegenteil. Du wirst mir alles sagen. Mach dir keine Sorgen, ich bin fast wieder nüchtern.
– Ich habe mehr Angst vor Ihnen, wenn Sie nüchtern sind.
– Was war da, im Tempel?
– Sie hat nicht nur Gott gedient. Sie hat auch dem Priester gedient.
– Was denn? Geputzt, gekocht?
– Nein, anders gedient.
– Du meinst als Frau? Willst du das sagen, wie ein Nautsch-Mädchen?
– So ähnlich.
– Das soll ich dir glauben?
– Es ist die Wahrheit, Saheb.
– Wie lange?
– Ich weiß es nicht.
– Als sie zurückging, hat sie mit dem Priester wieder …?
– Nein, das glaube ich nicht. Bestimmt nicht. Sie ist vor ihm weggelaufen, er hat sie schlecht behandelt. Deswegen kam sie nach Baroda.
– Du hast mir all das verschwiegen?
– Sie mußte zurück. Es war der einzige Ort, an dem sie sich geborgen fühlte, trotz des Priesters. Sie vermißte die Räume des Tempels, sie vermißte es, vor Gott zu sitzen, ihm Luft zuzufächeln. Es ist merkwürdig. Sie fühlte sich nur dort geborgen. Obwohl er sie so schlecht behandelt hat.
– Du hast mir nichts davon erzählt. Ich hätte Lust, dich auszupeitschen.
– Wie hätte ich annehmen sollen, Saheb, daß Sie nichts davonwußten. Sie waren doch viel besser mit ihr vertraut als ich. Ich kannte sie nur von den gemeinsamen Stunden in der Küche. Wir aßen manchmal zusammen. Manchmal saßen wir auf der Veranda, wenn Sie verreist waren. Sie wissen selber, wie selten das war. Wie hätte ich es mir anmaßen können, mit Ihnen über Geheimnisse zu sprechen, denen Sie näherstanden als ich.
45.
NAUKARAM
II Aum Devavrataaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
– Du hast alle Grenzen überschritten. Es ist unverzeihlich, was du getan hast. Wie konntest du meine Geheimnisse weitererzählen? Es war nur für deine Ohren bestimmt. Dürfen die Lahiya alles weitertragen? Dürfen sie auf dem Markt mit der Münze des Anvertrauten zahlen? Ich habe mich in dir getäuscht, du bist kein ehrenvoller Mann. Und als wäre das nicht schlimm genug, hast du auch noch Lügen über mich erzählt, Lügen, die mich in dieser Stadt vernichten werden.
– Was denn, was denn? Ich lüge nicht!
– Ich konnte es nicht glauben.
– Jemand hat mich verleumdet.
– Du lügst schon wieder. Ich habe es mit eigenen Ohren gehört. Der Sänger, er hat zuerst Bhajan gespielt. Doch dann hat er seine eigenen Verse gesungen, die waren alles andere als heilig, sie waren vulgär, sie sollten das Publikum belustigen. Er spottete über die Angrezi und die Sardarji, er spottete über einen lüsternen alten Mann, der in Liebe zu einer Wäscherin entbrannt ist und daher täglich seine Kleidung zum Waschen gibt. Es war dümmliches Zeug. Dann spottete er über einen Diener, der seinem Herrn verfallen ist. Über seine Liebe zu der Bubu des Herrn, einer Devadasi, die beide Männerausgenutzt habe. Ich erstarrte. Zuerst dachte ich an einen Zufall, bis diese Erklärung nicht mehr möglich war. Ich erwartete, die Zuschauer würden sich gleich umdrehen und mich anstarren. Es war mir peinlich. Es tat mir weh. Aber es war nicht annähernd so peinlich und so schmerzhaft wie das, was dann folgte. Die Bubu, sang er vergnügt, er hatte so eine widerlich selbstverliebte Stimme, sie habe ein Kind bekommen, als der Herr unterwegs war für einige Monate. Sie habe das Neugeborene getötet, und der Diener habe ihr geholfen, es im Wald zu begraben.
– So etwas habe ich ihm nie erzählt.
– Du gestehst also, was er wußte, wußte er von dir.
– Er ist ein Freund, ich habe seinen Rat gesucht. Ich war mir nicht sicher, wie ich Ihre Geschichte weiterschreiben sollte. Es ist nicht so leicht, wie Sie es sich denken. Manchmal bin ich überfordert. Niemals habe ich etwas von einem toten Kind erwähnt. Nein, warte warte, mir fällt ein, der tote Affe, wissen Sie, den Burton Saheb selber begraben hat im Garten, das haben Sie mir erzählt. Vielleicht habe ich von dem Begräbnis des Affen gesprochen, Sie müssen zugeben, es ist das verrückte Ende eines großen Wahns, und als Vergleich, verstehen Sie, habe ich gesagt, er habe ihn begraben, so als sei er sein eigenes Kind. Ein harmloser Vergleich nur.
– Und dann, was noch für harmlose Vergleiche? Wer ist dafür verantwortlich. Wer?
– Wofür?
– Die Verse dieses Schakals, den du deinen Freund schimpfst. Sie endeten, ich habe nie in meinem Leben so eine
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