Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
Vom Netzwerk:
meist um sein eigenes, vegetarisches Essen zuzubereiten – das konnte er niemandem anvertrauen, am wenigsten diesem Mletscha –, fluchte der Koch vor sich hin, in seiner Sprache. Er fluchte so viel, er schien sein Essen mit Flüchen zu würzen. Es überraschte Naukaram nicht, daß Burton Saheb auch die Sprache des Koches beherrschte. Er merkte sich den Wortlaut einiger der Flüche und bat Burton Saheb, sie zu übersetzen. Er lernte die Flüche auswendig. Corbezzoli! Perdindirindina! Perdinci! Sie waren sanft, im Vergleich zu jenen, die er von den Beschnittenen kannte. Donnerwetter! Herrgott! Herrschaftszeiten! Er stand dem Koch im Wege, eines Nachmittags, und der Koch wartete keine Entschuldigung ab, kein Zurücktreten, um ihn anzuschreien: E te le lèo io le zecche di dòsso! Naukaram konnte nichts erwidern, weil er nicht wußte, was er geschimpft wurde. Burton Saheb lachte. Er will dir die Flöhe rausziehen. Er droht dir Schläge an. Naukaram kannte nicht genügend Flüche, um es dem Koch in gleicher Münze zurückzuzahlen. Eines Abends, als er vergaß, ein Soufflé aufzutragen (der Koch war stolz auf seine Soufflés), ließ der Koch seine Flüche wie Funken stieben. Bellino sì tu faresti gattare anche un cignale! Naukaram konnte sich nicht einmal die Hälfte merken. Burton Saheb mußte bei dem Koch nachfragen. Er klärte Naukaram mit einem amüsierten Lächeln auf. Er hat zu dir gesagt,du seist so schön, du würdest selbst ein Wildschwein zum Kotzen bringen. Wieso erlaubt er sich das? fragte Naukaram. Nimm es dir nicht zu Herzen. Er ist so. Einige Tage später war Naukaram sich sicher, der Italiener habe absichtlich ein Fleischgericht mit seinem Kochlöffel umgerührt, der in einem eigenen Glas aufbewahrt wurde und nur für vegetarische Speisen verwendet werden sollte. Das hatte Burton Saheb dem Koch ausführlich erklärt. Nun roch der Löffel widerwärtig. Gut, daß es ihm rechtzeitig aufgefallen war. Der Koch verstand keine andere Sprache als das Dumpfe. Naukaram schlug ihm mit dem Löffel auf den Hinterkopf. Der Koch wirbelte herum mit einem Schrei. Er hatte ein Messer in der Hand: Er stocherte damit durch die Luft und fluchte. Naukaram drehte sich um und verließ die Küche, mit seinem Löffel in der Hand. Er mußte lernen, auf Italienisch zu fluchen. Burton Saheb half ihm dabei. Späte Rückzahlung für das Gujarati, erklärte er. Zuerst das Grundwissen. Stronzo. Merda. Strega. Naukaram begann durch die Küche zu schreiten und abwechselnd eines dieser Wörter auszustoßen, so gehässig und überdreht, wie er nur konnte. Der Koch antwortete mit einer ganzen Batterie von mehrsilbigen Geschossen. Cacacazzi. Leccaculo. Vaffanculo. Succhiacazzi. Naukaram kümmerte sich nicht mehr um die Übersetzung. Er wußte, er war immer noch unterlegen. Willst du ihn wirklich ärgern, unterrichtete ihn Burton Saheb, mußt du sagen: Quella puttana di tua madre! Naukaram brüllte es dem Mletscha bei nächster Gelegenheit ins Gesicht. Und der Fluch wirkte. Stärker, als er erwartet hätte. Der Koch verstummte, blickte weg. Am nächsten Tag bedeutete Sabbatino Naukaram, er möge zu ihm an den Ofen kommen, er wolle ihm etwas zeigen. Er strahlte eine unvertraute Freundlichkeit aus. Naukaram näherte sich vorsichtig dem Koch. Sie traten beide an einen riesigen Topf; der Koch hob den Deckel hoch. Ein Rindskopf kam zum Vorschein, der ruhig vor sich hin köchelte, die ergebenen Augen auf Naukaram gerichtet. Ti faccio sputare sangue! Sabbatino hatte diese Worte noch nicht ganz ausgesprochen, da fühlte er, wie der Dunkelhäutige ihn am Kragen packte und über den Holzkohleofen drückte. Er spürte, wie die Hitze seine Härchen am Unterarm versengte. Er stieß seinen Kopf dem Dunkelhäutigen ins Gesicht. Sie fielen zu Boden, sie rissen den Topfum, und als Burton aus dem Eßzimmer in die Küche stürzte, von dem Krach alarmiert, sah er auf dem Boden den Koch, den Diener und einen Rindskopf liegen, und das Geschrei, das der Italiener von sich gab, wurde übertroffen von dem Heulen, das aus den Tiefen von Naukaram herausbrach.
    Es war nicht möglich, Naukaram weiterhin zu beherbergen. Burtons Eltern hatten sich an die gute Küche von Sabbatino gewöhnt, Naukaram hingegen war überflüssig. Burton zahlte ihm genug Geld für die Überfahrt, ausreichend, um sich in Baroda ein kleines Häuschen zu kaufen. Und er hätte ihm einen hervorragenden Referenzbrief ausgestellt, wenn dieser unverschämte Kerl nicht darauf bestanden hätte, daß

Weitere Kostenlose Bücher