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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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alles, was geschehen war, die Schuld seines Herrn gewesen sei. Wieso haben Sie mir nicht … Er herrschte ihn an, er solle das Maul halten. Das war das Problem mit diesen Menschen. Sie konnten keine persönliche Verantwortung übernehmen. Verärgert bestätigte Burton in einem knappen Schreiben, daß Ramji Naukaram aus Baroda ihm vom November 1842 bis zum Oktober 1849 gedient habe. Und er unterschrieb schwungvoll.

ARABIEN

Der Pilger, die Satrapen und
das Siegel des Verhörs
     
     
    An den Großwesir
    Reshid Pascha
    Topkapi-Palast
    Istanbul
     
    Assalaamu Alaikum Wa Rahmatullahi Wa Barakatuhu.
    Friede sei mit Ihnen, Friede sei mit Ihren Schutzbefohlenen!
     
    Wir möchten Ihr Augenmerk auf eine Angelegenheit lenken, die auf den ersten Blick vielleicht nicht von überragender Bedeutung erscheint und die Interessen des Kalifats gewiß nicht unmittelbar gefährdet, die aber meiner bescheidenen Ansicht nach trotzdem die höchste Aufmerksamkeit der Regierung verlangt. Sie entsinnen sich gewiß, daß ich vor mehr als einem Jahr berichtet habe, ein britischer Offizier habe die Hadj vollbracht, zum beachtlichen Ergötzen der hiesigen Presse, die ihn als Helden der Saison feierte. Vor einigen Wochen publizierte der Verlag Longman Green den persönlichen Bericht dieses Mannes namens Richard Francis Burton, Leutnant der britischen Armee, über seine frevelhafte Hadj, die er in Verkleidung als Pathan aus Indien unternommen hat. Die hiesigen Zeitungen haben dieser Publikation erheblichen Platz eingeräumt, sie überschlagen sich mit Lob ob der beherzten Tat, der glanzvollen Leistung, sie übertreffen sich gegenseitig in Lobhudelei. Anscheinend regt in dieser Epoche nichts die Phantasie der Leserschaft im britischen Königreich mehr an, als wagemutige Erforschungen in Regionen jenseits der öffentlichen Vorstellungskraft. Bücher der Kategorie ›Ichwar dort und habe gesehen‹ verkaufen sich in höherer Zahl als bei uns die Sammlungen mit Geschichten über Nasruddin Hodja.
     
    Der Grund dieses Erfolgs erscheint mir einerseits offenkundig harmlos, andererseits teuflisch verborgen. Die Untertanen des britischen Imperiums wollen an dem Abenteuer der Welteroberung teilhaben, sie wollen gefüttert werden mit zeitgenössischen Legenden, die ihnen zur Identifikation gereichen können. Doch hege ich den Verdacht, durch Publikationen dieser Art soll der Boden bereitet werden für eine nahe Zukunft, in der diese Regionen nicht mehr fern und unbekannt sind, sondern Teil des Imperiums, eine vorauseilende Gewöhnung an eine Fremde, die das britische Imperium sich bald einzuverleiben beabsichtigt. So spiegelt sich meiner Einschätzung nach in dieser scheinbar nebensächlichen Angelegenheit eine beunruhigende Entwicklung, die gesteigerter Aufmerksamkeit bedarf, insbesondere weil es sich in diesem Fall nicht um Wüsten in Afrika oder Dschungel in Indien handelt, sondern um unser Allerhöchstes Heiligtum, um die Gesegneten Stätten von Mekka und Medina, Gott möge sie erhöhen.
     
    Es ist mir durchaus bekannt, daß Botschafter Viscount Stratford de Redcliffe Ihr Vertrauen genießt sowie jenes des Sultans, und gewiß ist seine Unterstützung notwendig, um jene Reformen durchzusetzen, die Eure Exzellenz mit gesegneter Weitsicht in die Wege geleitet hat, aber wenn ich in aller Demut einen Vorschlag unterbreiten dürfte, so plädiere ich dafür, die Hintergründe dieses Falles mit angemessener Entschlossenheit, aber auch entschiedener Geheimhaltung offenzulegen. Die wahren Absichten des Leutnants Richard F. Burton und seiner Auftraggeber (angeblich die Royal Geographical Society, eine dubiose Organisation, die vorgibt, nur an Längen- und Breitengraden interessiert zu sein) lassen sich seinen Aufzeichnungen nicht entnehmen, obwohl sie in drei Bänden insgesamt 1264 Seiten umfassen. Anhand des vorliegenden und mit aller gebotenen Sorgfalt studierten Materials konnten wir keine Klarheit gewinnen über die Motivation für dieses sogenannte Abenteuer – bei Entdeckungen wird gemeinhin nur der erste belohnt, undwie wir wissen, haben schon mehrere Christen die Hadj in betrügerischer Art unternommen – oder über die tatsächlichen Resultate dieser angeblichen Forschungsreise. Um Ihnen einen genaueren Eindruck zu ermöglichen, übersende ich Ihnen die drei Bände, denn ich hege nicht den geringsten Zweifel, daß Ihnen das Englische weiterhin keine Schwierigkeiten zu bereiten vermag.
     
    Möge der Segen und die Gnade Gottes mit Ihnen sein.
     
    Ebu

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