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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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hinauswerfen. Unterschreibe hier, wenn du schreiben kannst. Wenn nicht, kritzele ein Zeichen deiner Dummheit aufs Papier. So. Nun mußt du noch zum Zabit, die hiesige Polizei muß den Paß gegenzeichnen, sonst ist er nicht gültig.
     
     
     
    Er wird nicht nur Arzt sein. Auch Derwisch: eine hervorragende Kombination. Als Arzt wird er das Vertrauen der Menschen gewinnen. Wenn er ihnen helfen kann, nur wenn er ihnen helfen kann. Er traut sich einiges zu. Er hat in der Heilkunst schon dilettiert. Die letzten Monate hat er intensiv studiert, Buch für Buch sein Wissen erweitert. Nun bedarf er der Übung; an Gelegenheiten dürfte es in Kairo nicht mangeln. Die einheimische Medizin, sie hat sich seit Jahrhunderten von ihrem Goldenen Zeitalter entfernt; zudem, die meisten Menschen in diesen Breiten sind durch Suggestion zu heilen, und darin ist er ein Meister. Und die Gestalt des Derwischs wird ihn schützen vor den Angriffen der Bigotten. Ihm wird eine gewisse Narrenfreiheit zugestanden werden. Unübliches Verhalten wird ihm nachgesehen werden. Ein Derwisch kann aus der Mißachtung des Gesetzes seinen eigenen wirren Segen schöpfen. Es ist gut ausgedacht: Er heißt Mirza Abdullah, er ist Derwisch, und er ist Arzt.
     
     
     
    Vom Zabit zum Muhafiz, wo er eine lange Weile kauerte, bis ein Amtsträger ihm die Information zuwarf, die Bestätigung sei beim Diwan Kharijiyah einzuholen. Er fand seinen Weg zu einem Gebäude von wirrer Geometrie, gewaltig groß, die Außenwände so weißgewaschen, daß ihr Anblick im grellen Sonnenlicht schmerzte. In den Korridoren krümmten sich die Harrenden. Es erwies sich als Fehler, die offenen Zimmertüren als Einladung zu verstehen. Der angesprochene Amtsträger richtete sich von seinem Pult auf, um seinen Schreien Nachdruck zu verleihen, inmitten von Aktenstapeln, die fast bis zur Decke reichten. Mirza Abdullah trat wieder hinaus. Die wenigen Bäume im Innenhof waren aller Blätter beraubt. Keine Brise schlüpfte an den Wachen am Eingangstor vorbei. Er richtete sein Anliegen an einen Offizier, der es sich in einem schattigen Plätzchen bequem gemacht hatte. Störe mich nicht, sagten die geschlossenen Augen und die ausgestreckten Beine, das feistbeglückte Gesicht. Schon bei der Anrede spürte der Fragesteller die Vergeblichkeit seines Bemühens. Keine Ahnung, grummelte der Offizier, kaum vernehmbar, mit unbewegten Lidern. Mirza Abdullah hätte es mit Bestechung versuchen können, aber das war verfrüht und nicht billig, oder mit einer Drohung, der seine armselige Kleidung jedoch keinen Nachdruck verleihen konnte. So blieb ihm nur die Möglichkeit, die jedem Bittsteller zur Verfügung stand, die Option der Machtlosen: Er konnte den Offizier beharrlich belästigen, bis dieser seiner Ruhe zuliebe etwas unternahm. Er trat einen Schritt vor und wiederholte seine Frage. Hau ab, zur lauten Antwort öffneten sich die Augen. Der Bittsteller hielt die Stellung, mit gesenktem Kopf und unbeugsamer Bescheidenheit. Er lehnte sich vor und äußerte sein Anliegen ein drittes Mal. Hau endlich ab, Hund du! Aber, flüsterte Mirza Abdullah, wie steht es mit der Brüderschaft unter Moslems … Sein Plädoyer brach ab, denn der Offizier entriß sich seinen Träumen, eine Nilpferdschwanzpeitsche in der Hand.
    Mirza Abdullah suchte weiter nach Auskunft, wo immer sie verfügbar schien, bei anderen Polizisten, bei Schreibern, Stallburschen, Eseltreibern und Herumlungernden. Er fühlte sich zunehmend in einer Enzyklopädie verloren, die nur aus Querverweisen bestand. In seiner matten Verzweiflung bot er einem Soldaten Tabak an undversprach ihm ein sattes Geldstück, wenn er ihm helfe, und der Mann fand Gefallen an dem Tabak und der versprochenen Münze, er nahm ihn an der Hand und führte ihn von einem Hochgestellten zum nächsten, bis sie eine mächtige Treppe hinaufstiegen und sich in die Gegenwart von Abbas Effendi begaben, des stellvertretenden Gouverneurs, eines kleinen Mannes mit hochgezogenem Kopf und zwei kleinen Butteraugen, die auf Lauer trieben. Wer bist du? fragte Abbas Effendi, und seine Augen verloren den Appetit, als der Mann ihm als Derwisch auf Hadj vorgestellt wurde. Nach unten! spuckte er aus, eine für den Bittsteller unverständliche Angabe, doch dem Soldaten reichte dieser Bescheid, um ein Zimmer ausfindig zu machen, das sich mit seiner Angelegenheit befassen würde.
    Er wartete vor der Tür, inmitten von Männern aus Bosnien, Rumelien und Albanien, allesamt barfüßig, breitschultrig, mit

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