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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Wilde Mekka, Gott möge sieerhöhen, überfallen haben. Sharif Ghalib, Sohn von Sharif Masad, hatte die Wahhabi unterschätzt. Sie haben geraubt, gemordet, sie haben heilige Orte zerstört, weil sie angeblich den Irrglauben förderten. Was lernen wir daraus? Wir dürfen nie wieder so schwach sein wie damals. Unsere Truppen mußten sich in der Festung verschanzen, sie waren bereit, sich zu wehren, aber nicht in der Lage, die Stadt zu verteidigen.
    KADI: Und Sharif Ghalib?
    SHARIF: Ich war ein Kind, meiner eigenen Erinnerung kann ich nicht trauen, aber mir ist zugetragen worden, daß mein verehrter Vater, Friede sei mit ihm, nach Djidda geeilt ist, um von dort aus den Widerstand zu organisieren.
    GOUVERNEUR: Das habe ich auch gehört. Obwohl sich hartnäckige Gerüchte halten, er habe sich dort versteckt.
    SHARIF: Je ehrenvoller eine Familie, desto mehr Feinde hat sie. Manche Feindschaften überdauern Generationen.
    GOUVERNEUR: Unser Schutz, denke ich, ist mehr als diese Bündel wert. Der Appetit der Wahhabi ist groß, ebenso der Appetit der Briten. Wir sind von großer Gier umgeben, wir sollten gemeinsam auf der Hut sein. Wenn wir nicht alles verlieren wollen.
    KADI: Manche von uns haben mehr zu verlieren als andere. Die Wahhabi, sie übertreiben gelegentlich, aber sie sind stark im Glauben, und das sind nicht viele in diesen Zeiten.
    GOUVERNEUR: Wir sollten uns der Angelegenheit widmen, mit der wir uns zu befassen haben. Sie haben die Unterlagen gelesen, die ich Ihnen geschickt habe? Dieser britische Offizier, er hat die Leute, die ihn auf seiner Hadj begleitet haben, sehr genau beschrieben. Er nennt sogar ihre Namen. Falsche Namen, dachten wir zuerst, aber dem war nicht so: Wir haben die meisten von ihnen ausfindig machen können. Wir werden sie im Laufe der nächsten Monate verhören, wenn Gott es so will. Zwei von ihnen leben allerdings in Ägypten. Wir haben unsere Brüder dort gebeten, sie zu befragen. Erst heute morgen haben wir Antwort erhalten. Die gute Nachricht: Beide Männer leben noch – sie haben bereitwillig Auskunft gegeben.
    KADI: Und die schlechte Nachricht?
    GOUVERNEUR: Sie werden sehen. Ich bin mir nicht sicher, was uns diese Zeugnisse sagen. Doch lesen Sie selbst.
     
    SHEIKH MOHAMMED
     
    Gewiß entsinne ich mich dieses Mannes. Ich bin stolz, sein Lehrer gewesen zu sein. Aywa, aywa, aywa. Sheikh Abdullah war ein gebildeter, ein vornehmer Mann, ein hervorragender Arzt, seine Hilfe habe ich selber nicht benötigt, Gott sei gedankt, aber Geschichten über seine Fähigkeiten waren in aller Munde, er war ein Arzt, der tatsächlich heilte. Ein guter Moslem, fast verlor er sich in den Fragen des Glaubens, den praktischen Dingen war er nicht zugetan, ich mußte ihn des öfteren warnen, ohne meine Aufsicht, er wäre um so viel mehr belogen und bestohlen worden. Nur eine Angelegenheit, wenn Sie mich so nachdrücklich fragen, was mir an ihm nicht in Ordnung schien, er war ohne Ehefrau – wissen Sie, ob er in der Zwischenzeit geheiratet hat? –, ich bete seitdem für ihn, daß er eine gute Frau finden möge, es hat mir nicht gefallen, die Blicke, die ihm manche Frauen zuwarfen, er war ein hochgewachsener Mann mit einem schönen Gesicht, voller Licht, keiner kann der Versuchung ein Leben lang widerstehen, der Prophet, möge Gott ihm Frieden und Segen geben, er wußte, am besten erwehrt der Mensch sich der Sünde, indem er die Versuchung beseitigt. Aber abgesehen von dieser Sorge? Nein, nein, Sie säen Zweifel, die ohne Berechtigung sind, das ist nicht nur ungebührend, das ist gefährlich. Er war der ernsthafteste Schüler, den ich je hatte, gewissenhaft, Sie glauben nicht, manchmal, wenn ich einer der schwierigen Passagen des Glorreichen Korans nicht ausweichen konnte, wir lasen die Strophe gemeinsam, mehrere Male, und er drängte mich dazu, sie zu erleuchten, dann, ich muß gestehen, in seltenen Fällen täuscht der Lehrer Wissen vor, und so gab ich, nicht blind, aber doch mit altersschwachen und halb zugekniffenen Augen, eine Schätzung der Bedeutung ab, und ich erwartete, wie es bei allen anderen Schülern geschieht, daß meine kleine Täuschung akzeptiert wird und bald darauf in Vergessenheit gerät, so daß meine Ehre gewahrt bleibt, doch dieser Schüler, er vernahm jedes meiner Worte zu genau, er durchschaute den Betrug, und er verlor darüber seine Beherrschung, er rief mit lauter Stimme aus: Wahrlich, es gibt keine Kraft und keine Macht, wenn nicht in Gott, dem Höchsten, dem Größten. Worauf

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