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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Scham mich ergriff, und ich flüsterte, zur Demut zurückfindend, die jedem von uns gebührt: Fürchte Gott, oh Mensch! Fürchte Gott. Nun sagen Sie mir, würde ein Ungläubiger das heilige Buch so schützen vor dem Hochmut eines alten Lehrers?
     
     
     
    Von Anfang an hatte er gespürt, daß er diesem Mann nicht trauen durfte. Nun, da er so laut bullerte, wie wohl nur ein korpulenter albanischer Bashibazuk zu bullern vermag, war es zu spät. Was hatte ihn nur zu diesem Wahnsinn getrieben? Gleich würde die ganze Karawanserei erfahren, daß der angesehene Arzt einem ungehobelten Klotz seine Freundschaft geschenkt hatte. Schlimmer, viel schlimmer noch: der geachtete Derwisch hatte an einem Trinkgelage teilgenommen. Als Derwisch durfte er sich einiges erlauben, aber nicht dies! Auch wenn er sich nicht in Rage und um jegliche Vernunft gesoffen hat, im Gegensatz zu dem Albaner, der um sich schlug, als versuche er die Ehre seiner Schwester zu verteidigen, nachdem er sie selbst an ein Bordell verkauft hat.
    Erst am Tag zuvor hatten sie sich kennengelernt. Sheikh Abdullah, auf einen Gruß vorbeigekommen, traf im Zimmer von Hadji Wali auf Ali Agha, einen breitschultrigen Mann mit gewaltigen Augenbrauen, feurigen Augen, dünnen Lippen und einem Kinn, an dem man ein Boot hätte vertäuen können. Dieser Mann war ihm schon mehrmals aufgefallen, wie er mit militärischem Gehabe durch die Herberge stolzierte, eine Hand angelegt, als befände sich eine Waffe an seinem Gurt. Sein Gang wurde von einem Hinken gehemmt, und er versuchte, seine Kultiviertheit mit einer übertriebenen Schroffheit zu verhüllen. Die Unterhaltung mit ihm verlief schleppend. Er bediente sich des Arabischen nur, wenn er sich verständlich machen mußte, ansonsten sprudelte es türkisch aus ihm heraus. Als Hadji Wali in den Hof gerufen wurde, beugte sich Ali Agha zu Sheikh Abdullah und flüsterte ihm zu: Raki? So etwas gibt es in diesem Hausnicht, antwortete der Sheikh vorsichtig, worauf der albanische Offizier von den irregulären Truppen höhnisch grinste und den Sheikh einen Esel schimpfte.
    Doch am nächsten Tag suchte Ali Agha ihn wie selbstverständlich in seinem Zimmer auf. Er redete sich in Fahrt, holte kaum Atem, zog gierig an der Wasserpfeife und begleitete seinen türkischen Schwall mit Gesten, die durch die verrauchte Luft schlugen. Als er sich schließlich erhob und der Sheikh es ihm nachtat, schlang er seine Arme um dessen Taille, als wollte er Kräfte messen. Der albanische Offizier traute dem indischen Arzt wenig zu, so locker und nachlässig war sein Griff. Im nächsten Augenblick flog er durch die Luft, sein Kopf landete auf der Matratze, sein Hintern auf dem steinernen Boden und seine Beine knapp neben der Wasserpfeife. Er richtete sich auf und blickte seinen Gastgeber zum ersten Mal mit Interesse an. Wir beide, wir werden gut miteinander zurechtkommen! Er richtete sich auf. Du darfst mir noch eine Pfeife anbieten. Er stemmte die Fäuste in die Hüften. Ich bleibe noch ein wenig. Aus frisch erworbener Hochachtung vor dem Sheikh wechselte er ins Arabische und radebrechte eifrig wie zuvor, aber nun verständlich, von den Heldentaten seines Lebens. Zur Veranschaulichung krempelte er die Ärmel hoch, zog die Hosenbeine hoch, zeigte auf Wunden, er folgte mit seinem Finger den Topographien alter Verletzungen, denen alles nachgesagt werden konnte. Bei uns in den Bergen, selbst Kinder spielen mit dem Leben, wer einen Türken ärgert, wird von allen anderen geachtet. Ich war der Frechste, der Türke hat angelegt, ich hatte keine Angst, die Kugel hat mein Schienbein zertrümmert. Drei Elogen auf die eigene Größe später erklärte er den Arzt zu seinem Kumpanen, weswegen er ihn um einen kleinen Gefallen bitten müsse, etwas Gift solle er ihm geben, ein Gift von geringer Wirkung, das niemals lügt, da gebe es diesen Feind, der ruhiggestellt werden müsse. Er zeigte sich nicht überrascht, als der Arzt sofort eine Schatulle öffnete und ihm fünf Körner überreichte. Vorsichtig ließ er sie in das Säckchen fallen, das ihm um den Hals hing. Hätte er nachgefragt, der Arzt hätte ihm wahrheitsgemäß mitgeteilt, es handele sich um Kalomel, oder – wenn dir dieser Begriff geläufiger ist – Hornquecksilber, das regt den Harn und die Galle an und führt ab wie kein anderesMittel. Zum Abschied zwang der Bashibazuk dem Sheikh eine Umarmung auf und beschwor ihn, wir müssen zusammen trinken, nicht jetzt, aber am Abend, am späten Abend, du kommst in

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