Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
fehlen.
»Weiß ich doch. Willst du ihn sehen oder nicht?«
»Natürlich. Je eher, desto besser.«
»Okay, ich habe mit einem Freund gesprochen, einem Agenten, der mir einen Gefallen schuldet. Er meinte, sein Haus steht uns zur Verfügung. Heute Nachmittag. Passt dir das?«
»Kein Problem. Normalerweise habe ich erst abends viel zu tun. Ich bitte einen Kollegen, die Stellung zu halten. Wie ist denn die Adresse?«
Er gab sie mir durch und sagte, er werde mich um drei Uhr dort treffen.
Ich verbrachte den Vormittag unter meinem Wagen liegend. Ich grübelte, warum ich ein mahlendes Geräusch von der Beifahrerseite hörte, wenn ich das Lenkrad voll eingeschlagen hatte. Die Federn waren anscheinend in Ordnung, und ich fand schließlich heraus, dass es am Stoßdämpfer lag, der allmählich den Geist aufgab. Ich hatte dieses Wochenende noch nichts vor, da würde ich das dann wohl selbst reparieren. Darum hatte man ja gerade so viel Spaß an den alten Autos, die noch nach guter alter Handwerkskunst zusammengeschraubt waren und nicht punktgeschweißt wie ein japanisches Bauen-nach-Zahlen-Modell. Ich stieg aus dem Overall und wusch mir die Schmiere und den Dreck von den Händen. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte meinen eigenen Körper so leicht reparieren,wie ich meinen Wagen pflegte. Wenn er neue Bremsen oder Birnen brauchte oder eine Delle in der Karosserie hatte, bestellte man einfach die Teile, baute sie ein und er war wieder so gut wie neu. Selbst knapp fünfzig Jahre, nachdem er vom Band gerollt war, lief er nahezu reibungslos. Und falls der Motor je schlapp machte, wäre es relativ leicht, ihn zu ersetzen; es gab immer noch jede Menge spezialisierte Händler in England, die mir einen liefern würden. Doch mein Körper, die Organe, die bereits Verschleißerscheinungen zeigten, das war eine andere Baustelle. Für die Haut, die begonnen hatte, ihre Elastizität zu verlieren, und die lauter braune Flecken und Fältchen um die Augen herum aufwies, gab es keinen Ersatz. Ich konnte mich erinnern, wie es war, als ich jung war und in den Feldern um den elterlichen Hof stundenlang Fußball spielte, mit dem Hund herumtollte und nie müde wurde. Jetzt kam ich nach ein bisschen Treppensteigen schon aus der Puste.
Ich ernährte mich einigermaßen gut, gesundheitsmäßig gesehen, doch manchmal spürte ich, wie meine Arterien mit Cholesterin und Fett verkalkten, und des Nachts schien der Klang meines Herzschlags weniger kräftig als in meiner Jugend, als ich noch fast das ganze Leben vor mir hatte. Ich wünschte, ich könnte zurück. Am Daumen der rechten Hand hatte ich eine zwar nur winzige Schnittwunde, aber ich schmierte sie trotzdem mit antiseptischer Salbe ein. Das war noch so was, das mir beim Älterwerden auffiel – Verletzungen und Abschürfungen brauchten länger, um zu verheilen, und es dauerte eher Wochen als Tage, Erkältungen und Ähnliches loszuwerden. Es war, als ob mein Körper allmählich müde wurde, und ich überlegte, wie lange es noch dauern würde, bis er esaufgäbe, sich zu regenerieren, und ich allein auf einem urinbeschmutzten Bett mit lauter Wundliegegeschwüren auf den Tod warten würde. Ich schüttelte den Kopf und versuchte an etwas anderes zu denken.
Ich ging in die Küche und erhitzte mir eine Tiefkühl-Lasagne in der Mikrowelle und erhöhte meinen Koffeinpegel mittels zweier Tassen starken Kaffees. Nach dem Kaffeetrinken ging es mir immer besser.
Das Haus des Agenten lag in Beverly Hills, und der Mann war ganz offensichtlich betucht, denn es lag oberhalb der Smoggrenze. Gerade so. Es war ein einstöckiger rustikaler Bau mit vielen Wagen rädern, freiliegenden Balken und Kaktusdekor an den Wänden und es verströmte den Charme eines Tacorestaurants. Ich parkte den Alpine zwischen einer weißen Corvette und Hardys orangefarbenem MGB. Hardy zog wie ich alte britische Autos jedem amerikanischen Modell vor und bei der Jagd nach Ersatzteilen hatten wir uns früher oft geholfen. Es bestand jederzeit die Möglichkeit, dass mit einem unserer Wagen irgendwas nicht in Ordnung war, und es geschah selten, dass beide gleichzeitig auf der Straße waren. Ich merkte mir, dass ich ihn fragen wollte, ob er Lust hätte, mir beim Einbau der neuen Stoßdämpfer zu helfen.
Die Tür ging auf, bevor ich klingeln konnte, und vor mir stand Hardy, der geradezu abstoßend fit wirkte in seinem rotgrünen Trainingsanzug und den nagelneuen Reeboks. Vor ein paar Jahren war er so was wie ein Gesundheitsfreak geworden und
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