Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
wusste. Archie zündete sich noch eine Zigarre an, nahm einen tiefen Zug und zeigte dann damit in meine Richtung.
»Er hatte ein Alkoholproblem. Eine Flasche pro Tag. Whiskey, nicht Bier.« Er zog noch einmal an der Zigarre.
»Du kanntest ihn?«, fragte Hardy, offensichtlich überrascht.
Archie platzte fast vor Stolz. »Ich kenne hier jeden in der Stadt«, sagte er gedehnt.
»Schon, Archie, aber der Film stammt aus dem Jahr neunzehn-hundertzweiundfünfzig. Lange bevor dich der Klapperstorch aus dem Teich gefischt hat.«
»Ihr seid mir welche!«, sagte Archie und wedelte mit seiner Zigarre. Asche fiel auf seine Hose, und er wischte sie mit einer Hand weg, die mit lauter Goldringen geschmückt war. »Ein kleines Comeback hatte er Ende der Achtzigerjahre. Charakterrollen in Fernsehproduktionen. Nichts Besonderes, aber ein paar Jahre war er in Lohn und Brot.«
»Warst du sein Manager?«, fragte ich.
»Jetzt mach mal halblang, Jamie!«, sagte Archie, beinahe aufgebracht. »Der spielte doch nur unter ‹ferner liefen›. Ich glaube, eine von den kleineren Agenturen hat ihn vertreten. Für so einen, dem nicht auf Anhieb der große Wurf gelungen ist, stehe ich morgens gar nicht erst auf. Kapiert?«
»Ja doch, Archie. Ich weiß, worauf du hinauswillst. Ob du mir wohl einen Gefallen tun könntest? Eventuell herausfinden, wer seine letzten Agenten waren?«
»Klar, kein Problem. Hey, wie oft bekommt man schon die Chance, einem Vampirjäger zu helfen? Los, gehen wir was trinken.«
Ich bestellte einen Wodka Tonic, und während ich ihn trank, fragte ich Hardy, ob ihm bekannt sei, dass James Dean eine Katze gehabt hatte.
»Das wusste ich noch gar nicht«, sagte er zu meiner Überraschung, denn er sog Filmtrivia in sich auf wie ein Staubsauger Staub, teils weil es ihm bei einem Feature über das Showbiz half, aber hauptsächlich deshalb, weil er schon von Kindesbeinen an ein Filmfreak war. Man würde schwerlich einen Film oder den Namen eines Stars nennen können, über den er noch nichts geschrieben hatte, und er verfügte über ein beinahe fotografisches Gedächtnis.
»Eine Siamkatze«, sagte ich.
»Ist mir neu«, sagte er.
»Sie war ein Geschenk von Elizabeth Taylor. Am Tag, bevor er starb, brachte er das Tier zu seinem Nachbarn.«
Hardy runzelte die Stirn. »Ich dachte, ich wüsste alles über James Dean«, sinnierte er. »Wo hast du das denn gelesen?«
»Hab ich nicht gelesen, hat mir jemand erzählt.«
»Jemand, der ihn gekannt hat?«
»Kaum. Dafür ist sie viel zu jung.«
»Du stellst schon wieder blutjungen Frauen nach?«
»Fragt sich nur, wer hier wem nachstellt«, sagte ich.
Archie und Hardy fragten, ob ich Lust hätte, mit ihnen in ein neues Thai-Restaurant zu gehen, aber ich lehnte ab, ich hatte zu arbeiten.
Auf dem Weg zum Präsidium fuhr ich bei mir zu Hause vorbei, um in einen Anzug zu schlüpfen und das Notebook zu holen. Ich hatte Rivron einen freien Abend versprochen, weil er am Tag für mich eingesprungen war, also hatte ich alle Hände voll zu tun.
Ein alter Mann, vierundsiebzig nach eigenen Angaben, war verhaftet worden, weil er im Rodeo Drive eine Reihe von Schaufenstern zertrümmert hatte. Gestohlen hatte er nichts, war nur von einer Boutique zur anderen gezogen und hatte mit einem Reifenheber zugeschlagen, bis ein Streifenwagen auftauchte. Dann hatte er den beiden Beamten eins übergebraten, bevor sie ihn mit den Schlagstöcken niederknüppelten. Der Mann saß mit verbundenem Kopf und einem Pflaster, das seine Nase zusammenhielt, vor mir, während er mit der Maus hantierte. Laut Programm litt er am Korsakow-Syndrom,wahrscheinlich infolge von chronischem Alkoholismus, darum empfahl ich, ihn sofort ohne Anklage in eine Anstalt zu verbringen. Er war schlicht und einfach alt und krank und daher in der Alterspsychiatrie besser aufgehoben als in einer Gefängniszelle.
Ich kehrte in mein Büro zurück und begann mein Gutachten über den alten Mann, als das Telefon klingelte und ich wieder in die Vernehmungszimmer gerufen wurde. Dieses Mal sollte ich zwei schwarze Jugendliche durch das Programm laufen lassen. Beide waren sie aggressive Rotzlöffel, pöbelten und verlangten ihre Anwälte. Sie trugen schwarzsilberne Jacken mit dem Logo der
L.A. Raiders
. Und laut De’Ath waren sie beide Mitglieder der
Bloods
, einer der brutaleren Jugendgangs von L.A., und als Crackdealer wohlbekannt. Sie hatten ein Mädchen auf dem Heimweg von einer Cheerleaderübung vergewaltigt und zusammengeschlagen, wobei
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