Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
wirklich beeindruckte, war die Kollektion von signierten Fotos an einer Wand, neben seinen akademischen und beruflichen Qualifikationen. Da war Bill Clinton mit der Widmung »Gilbert, danke für alles« und eine Porträtfotografie von Angelina Jolie mit Schmollmund und schwungvoll gekritzelter Widmung »In Liebe und Dankbarkeit« nebst drei Küsschen in einer Ecke. Die Sammlung enthielt Spitzen politiker, Sänger, Filmstars und Medienprominenz, alle mit persönlichen Widmungen für den guten alten Gilbert.
Ich weiß noch, wie ich mich mit offenem Mund zu ihm umdrehte und er lautlos lachte und den Kopf schüttelte. »Dein Gesichtsausdruck«, sagte er.
»Wie hast du denn …?«, fragte ich.
»Gloria«, sagte er.
»Gloria?«
Er nickte in Richtung des Empfangstresens. »Gloria. Die blonde Bombe. Die macht die für mich. Die ist ein Photoshop-Genie. Ziemlich gut, was?«
»Ziemlich unehrlich«, erwiderte ich. Immerhin hat er es aber zu was gebracht. Jetzt lebt er mit Gloria in Südfrankreich und macht ein Vermögen, indem er sich die Probleme der Superreichen anhört.
Vielleicht ist es das, dachte ich. Vielleicht sammelte Terry falsche Autogramme, gefälschte Widmungen längst verstorbener Autoren. Doch das war eher unwahrscheinlich, und es wäre ein kostspieliger Spaß gewesen, die Erstausgaben zu verunzieren, die bei einer Auktion Tausende erzielen würden. Ich stellte
Der Malteser Falke
zurück und wählte aufs Geratewohl ein anderes Buch aus. Robert Louis Stevenson.
Entführt. Die Abenteuer des David Balfour
. Ich schlug es schnell auf und blätterte so hektisch darin herum, dass ich es fast übersehen hätte, aber da stand es in nahezu gestochen scharfer Handschrift. Eine signierte Erstausgabe von
Entführt
. Mit einer persönlichen Widmung. Einer Widmung, die schwarze Augen erwähnte. Das Buch entglitt meinen kraftlosen Fingern und ich wich beklommen zurück. Ein Muskel in meiner rechten Wange begann zu zucken, und ich presste meine Hand fest dagegen, versuchte es zu unterdrücken. Ich ließ die Taschenlampe am ganzen Bücherregal entlangschweifen, voller Angst, dass Monster in den dunklen Nischen lauerten, um sich auf mich zu stürzen und mich zu zerreißen, sobald der Lichtstrahl an ihnen vorbei war. Der Lichtschein war scheinbar mein einziger Schutz – das Einzige, wovor sie Angst hatten. Irgendwas stieß gegen meine Schulterblätter, und ich sprang vorwärts und wirbelte herum, nur um zu entdecken, dass es die Bücherregale waren. Ich war quer durch die Bibliothek gerannt. Das Exemplar von
Entführt
lag am Boden, mit der aufgeschlagenen Seite nach unten. Ichbrachte es nicht über mich, es aufzuheben. Ganz kurz dachte ich, ich würde die Tür nicht wiederfinden, aber dann sah ich die Lücke zwischen den Regalen und schlüpfte zurück in den Flur. Ich lehnte mich an die Wand und zog die Tür hinter mir zu. Ich hätte das Buch nicht auf dem Boden liegen lassen sollen, aber ich dachte mir, ich konnte ja später noch mal zurückgehen. Nachdem ich mich wieder beruhigt haben würde.
Ich probierte die Tür gegenüber und war überrascht, dahinter ein modernes Büro vorzufinden; es hatte den gleichen Plüschteppich, aber Chrom-und-Glas-Möbel und mehrere teuer aussehende Computer. Die Luft in dem Zimmer war definitiv kälter als im Rest des Gebäudes, und ich vermutete, dass es irgendeine Lüftung für die Computer gab, die aber geschickt verborgen war. Es gab eine Reihe matter schwarzer Aktenschränke an einer Wand, die unverschlossen waren. Die Schubladen an den Schrankfronten waren mit Buchstaben beschriftet: A–E, F–K und so weiter. Einem Impuls folgend hielt ich die Taschenlampe zwischen den Zähnen, sodass mir die Schlüssel ans Kinn schlugen, während ich den Abschnitt mit dem Buchstaben F aufzog. Tatsächlich, es gab einen Ordner für Ferriman, Terry. Eine Geburtsurkunde, Fotokopien von Kreditkartenantragsformularen, Sozialversicherungsnummer, akademische Qualifikation, einen Pass. Und eine Sterbeurkunde. Da war sie. Die Sterbeurkunde für Terry Ferriman. Elf Jahre alt. Ich legte den Ordner zurück und zog den daneben heraus. Granger, Helen. Es gab eine Geburtsurkunde in dem Ordner und eine Sterbeurkunde, zusammen mit den Sterbeurkunden und der Heiratsurkunde der Eltern des Mädchens.
Ich legte sie zurück und ging zu der Schublade mit den S-Ordnern. Für Sinopoli, Lisa gab es keinen, aber als ich dieSchublade zuschob, sah ich, dass die nebenan die Aufschrift »Totenakten, H–K« trug. Ich sah mir
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