Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
sie zu verlieren, bevor wir unsere Forschungen abgeschlossen haben.«
Er sprach zwar von Forschungen, aber nach dem, was er mirbisher erzählt hatte, erschien es mir mehr wie eine Sektion. Sie nahmen sie Stück für Stück auseinander.
»Was bezweckt man denn damit?«, fragte ich.
Sugar rieb sich den Nacken und dann den Kiefer. »Vorwiegend Genforschung«, sagte er. »Wir versuchen das Gen zu isolieren, dem sie die Unsterblichkeit verdanken.«
»Und dann? Ich vermute mal, dass es nicht reine wissenschaftliche Neugier ist.«
Sugar grinste. »Nein, es ist mehr als das. Wir nähern uns der Phase, in der wir Gene manipulieren, genetische Fehler heilen können, bevor sie auftreten. Wir können Gene vor der Empfäng nis in Chromosome einführen. Genmanipulation.«
»Sie wollen Menschen ewig leben lassen?«
»Ich forsche nur, Dr. Beaverbrook. Ich verbessere lediglich unseren wissenschaftlichen Kenntnisstand.«
»Ich entsinne mich nicht, im
Scientific American
schon mal was über Vampire gelesen zu haben«, sagte ich.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich publiziere. Ich forsche nur.«
»Aber die Ergebnisse geben Sie nicht bekannt?«
»Das Verteidigungsministerium führt viele Forschungen durch, die nicht öffentlich gemacht werden«, sagte Sugar.
»Kenntnis nur bei Bedarf«, sagte ich.
»Genau.« Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und musterte mich wieder. »Haben Sie sich in das Mädchen verliebt?«, fragte er.
»Nein«, log ich.
Geschlagene zehn Sekunden sah er mich an und sagte nichts. Ich hörte den Hubschrauber von fern, schwach wie ein summendes Insekt, das unter einem Glas gefangen war.
»Ich halte es für durchaus möglich, dass sie sich erhoffte, dass sie ihr sagen könnten, wo wir ihre Artgenossen festhalten. Darum hat sie sich vermutlich mit Ihnen angefreundet. Es ist wichtig, dass Sie das glauben, Dr. Beaverbrook. Ihnen muss unbedingt klar sein, dass Sie in diesem Fall mit uns zusammen und nicht gegen uns arbeiten müssen.«
Ich sagte nichts. Der Hubschrauberlärm ebbte ab und erstarb.
»Manchmal machen sie den Menschen Versprechungen«, fuhr er fort.
»Sie sagen den Leuten, dass sie sich ihnen anschließen können. So werden wie sie. Hat sie Ihnen das versprochen, Dr. Beaverbrook? Hat sie Ihnen ein Angebot gemacht, das sie nicht ablehnen konnten?«
»Nein«, log ich schon wieder.
»Falls aber doch – und das soll nicht heißen, dass ich Ihnen nicht glaube, aber falls doch –, dann müssen Sie unbedingt etwas begreifen. Es ist nicht wie im Kino. Sie beißen einen nicht in den Hals und verwandeln einen in einen Untoten. So läuft das nicht ab. Den Mechanismus, der ihren Alterungsprozess aufhält und sie nicht sterben lässt, haben sie nicht im Blut. Es ist kein Virus oder eine Infektion, die durch Blut oder irgendwelche Sekretionen übertragen werden. Sie sind so aufgrund ihrer Erbanlagen, denn sie haben andere Gene als wir. Wir sind so verschieden wie Wölfe und Schafe. Ein Schaf verwandelt sich nicht in einen Wolf, nur weil es gebissen wird. Und der Wolf geht nur dann unter Schafe, wenn er etwas will. Normalerweise fressen. Kennen Sie den Film
Begierde
? Mit David Bowie und Catherine Deneuve?«
»Ich habe ihn gesehen«, sagte ich. Mir war völlig klar, worauf er hinauswollte. Es war nicht so wie im Kino. Feinfühligkeit konnte man Sugar wahrlich nicht vorwerfen.
»Okay, Sie werden sich also erinnern, dass sie ein viertausend Jahre alter Vampir ist, der sich in New York Gefährten auserwählt und sie in Vampire verwandelt. Sie beißt sie und dann leben sie mehrere hundert Jahre.«
Ich nickte. »Ja, ich erinnere mich.«
»Das geht nicht. Gene werden nicht durch Blut über tragen, ebenso wenig wie man vom Knutschen schwanger wird. Genmanipulation ist zwar möglich, aber nur vor der Empfängnis. Wir können ein Chromosom isolieren und verändern, wir können bereits neue Pflanzen und Tiere züchten, wir können unsere eigenen Mutanten erschaffen, und irgendwann werden wir auch in der Lage sein, die meisten Erbkrankheiten zu verhindern, aber wir können nicht die Erbanlagen eines vorhandenen Organismus verändern. Vielleicht können wir das Unsterblichkeitsgen, wenn wir es erst isoliert haben, in Zukunft in die menschliche DNA integrieren und so einen Menschen erschaffen, der ewig lebt, aber das ist unseren Kindern oder Enkeln vorbehalten; uns nützt das gar nichts. Auf lange Sicht ist es vielleicht möglich, da bin ich ganz ehrlich. Die Wissenschaft arbeitet daran, Gene mittels Viren in
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