Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
einen vorhandenen Zellkern zu schleusen, in der Hoffnung, Krankheiten wie Parkinson und das Lesch-Nyhan-Syndrom zu heilen, und es gibt eine ähnliche Arbeit für Nervenkrankheiten wie Alzheimer und Huntington. Es sieht langsam so aus, als könnten wir bald einen Virus wie Herpes simplex derart modifizieren, dass er ein enzym produzierendes Gen in die Kerne der Nervenzelleneines Patienten trägt. Sollte sich das als möglich erweisen, dann wäre der nächste Schritt, mittels dieses Verfahrens sämtliche Zellkerne im menschlichen Körper zu modifizieren. Wir könnten beispielsweise die Augenfarbe eines Menschen von Braun in Blau ändern. Oder die Menschen größer machen. Oder intelligenter. Oder ihnen ewiges Leben geben. Aber das ist so, als spräche man von einer Herztransplantation im Mittelalter. Wir sind so, wie wir sind, und daran wird sich nichts ändern. Wir werden geboren, wir leben, wir sterben. Das sind unsere Spielregeln, Dr. Beaverbrook. Was auch immer sie zu Ihnen gesagt oder Ihnen versprochen haben mag, jene Regeln können sie nicht ändern.«
»Ich weiß, was Sie meinen«, sagte ich. Das stimmte. Er war endlich zu mir durchgedrungen. Es war nicht nur, was er sagte, sondern auch, wie er es sagte. Ich glaubte ihm. Aber ich brauchte Bedenkzeit. Er war wie ein Lebensversicherungsvertreter, aalglatt und überzeugend, der mir den Füller zur Unterschrift hinhielt und fragte, ob ich wöchentliche oder monatliche Beiträge bevorzugte. Ich wollte abwarten, wie es sich anfühlte, wenn ich allein war, wenn mein Kopf klar war. Ich musste über vieles nach denken.
»Da gibt es noch etwas, das Sie wissen müssen«, sagte Sugar. »Was sich hier abgespielt hat, muss geheim bleiben. Das verstehen Sie sicher. Wir geben uns allergrößte Mühe, unsere Arbeit unter Verschluss zu halten. Unsere Organisation wird alles Erforderliche tun, um die Vertraulichkeit zu wahren. Ich bin Wissenschaftler, wie Sie sich vielleicht schon gedacht haben. Mr. Hooper hier hat mehr mit der – wie soll ich sagen – Sicherheitsseite zu schaffen.«
»Sicherheit«, wiederholte Hooper, als ob er das Wort zum ersten Mal gehört hätte. Er lächelte mich an wie ein Schneider, der für einen Anzug Maß nimmt.
»Sie stehen auf der Seite der Engel, Dr. Beaverbrook. Sie leisten gute Arbeit beim LAPD. Wir würden Sie gern auch weiterhin auf unserer Seite wissen. Mir ist bewusst, dass die Chancen gering sind, aber vielleicht begegnet Ihnen in Zukunft noch jemand von ihrer Art. Wir würden gern davon ausgehen, dass Sie uns dann davon in Kenntnis setzen. Wovon wir nicht so gern ausgehen würden, ist, dass Sie sich auf deren Seite schlagen und so fehlgeleitet sind, dass Sie meinen, ihnen helfen zu müssen. Sollten wir dies je vermuten, würde Mr. Hooper hier oder jemand wie er Ihnen einen Besuch abstatten.«
»Ist das eine Drohung?«, fragte ich.
»Eine Feststellung«, sagte Sugar.
»Ein Versprechen«, sagte Hooper. Der Gedanke schien ihm zu behagen.
Das wars; die Befragung war zu Ende. Ich ging ohne Begleitung aus dem Büro hinaus. De’Ath war an seinem Platz, und Captain Canonico stand lauernd hinter ihm, als wolle er ihn bei seinen Hausaufgaben überwachen. De’Ath runzelte die Stirn, sagte aber nichts, und ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass sein Boss ihn ermahnt hatte, nicht mit mir zu sprechen. Wortlos ging ich an ihnen vorbei.
Erst als ich das Gebäude verließ, fiel mir ein, dass mein Wagen ja zu Hause stand. Ich fluchte. Es bestand kaum Hoffnung, dass ein Taxi vorbeikommen würde, und zu Fuß war es zu weit. Ich ging wieder hinein und fragte den diensthabenden Sergeant, ob mich eventuell ein Streifenwagen nachHause fahren könnte. Ich kannte den Mann nicht. »Da können Sie warten, bis Sie schwarz werden!«, sagte er und deutete mit dem Kopf auf ein Plakat an der Wand, auf dem die Nummer eines örtlichen Taxiunternehmens stand. Ich rief die Nummer auf meinem Handy an und binnen fünfzehn Minuten kam ein Wagen.
Ich ließ mich auf dem Sitz zurückfallen, schloss die Augen und rieb mir auf dem ganzen Heimweg die Schläfen. Ich war völlig durcheinander. Ich hatte Terry verloren, war von Männern in grauen Anzügen bedroht worden, die sich nicht einmal auswiesen, und man hatte mich darüber informiert, dass die Regierung der Vereinigten Staaten über Vampire und Werwölfe forschte. Meine Beine zitterten und mir war speiübel. Ich schaffte es, den Brechreiz zu unterdrücken, bis mich das Taxi vor meinem Haus absetzte, aber als
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