Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
neue Weltordnung geben. Und ich glaube kaum, dass es eine Welt wäre, in der Sie sich wohlfühlen würden.« Er hielt inne. »Ich sollte Ihnen dies hier nicht verraten«, sagte er. Er stieß sich von der Tür ab und baute sich mit den Händen an den Hüften vor mir auf. »Sie wissen nichts, Dr. Beaverbrook. Nichts, was mir weiterhilft.«
Er wirkte enttäuscht, und dann merkte ich, dass Sugar zumindest teilweise die Wahrheit gesagt hatte. Die Vampire hofften, dass ich sie zu Terry führen würde. Und zu den übrigen gefangenen Mutanten. Und jetzt, wo ich diese Hoffnung enttäuscht hatte, war ich für sie wertlos.
Seine Hand bewegte sich vorwärts und ich zuckte zusammen, doch er griff nur nach dem Türknauf und drehte ihn. Er grinste über mein Unbehagen. »Nein, deswegen bin ich nicht hier«, sagte er. »Wenn es nach mir ginge, würde ich es wahrscheinlich tun, aber sie hat Nein gesagt. Sie mag Sie, ob Sie das glauben oder nicht. Und sie will nicht, dass Ihnen ein Haar gekrümmt wird. Verrücktes Mädel, hm?« Ich gab den Weg frei und er öffnete die Tür und verließ das Haus. Er machte sich nicht einmal mehr die Mühe, sich noch einmal umzudrehen, als er zu seinem Kleinlaster ging und davonfuhr.
DAS GEFÄNGNIS
Und das war das letzte Mal, dass ich Terry gesehen habe. Das heißt bis heute. Zehn Jahre, so lange dauerte es, sie zu überzeugen, dass ich auf ihrer Seite war, dass ich Terry Ferriman lediglich als Versuchskaninchen betrachtete. Ich wusste, falls ich jemals zugäbe, wie viel sie mir bedeutete, dann würden mich sie nie wiedersehen lassen, also versuchte ich es in den ersten acht Jahren erst gar nicht. Ich blieb im LAPD, aber ich begann auch mit Recherchen an der UCLA, anfänglich eine Erweiterung meiner Kriminalarbeit, doch allmählich verschoben sie sich in Richtung Auswirkungen des Alterns auf Intelligenz und Verhalten und besonders Vergleiche zwischen dem chronologischen, biologischen, funktionalen und subjektiven Alter. Die Forschung war an und für sich schon interessant, aber mein Hauptmotiv dafür war stets, Terry wiederzusehen.
Das Alter lässt sich zu jeder Zeit in vier Kategorien einteilen: Wie alt jemand nach Jahren ist, wie alt sein Körper tatsächlich aussieht, welchen Status der Mensch in der Gesellschaft erreicht hat und wie alt er sich innerlich fühlt. Nehmen Sie beispielsweise mich, wie ich an meinem militärisch anmutendenSchreibtisch sitze, Terrys Bild vor mir an das Notebook gelehnt.
Chronologisches Alter? Kein Problem – fünfundvierzig.
Biologisches Alter? Nun, wenn ich schonungslos offen sein will, würde ich sagen, mein Körper ist der eines um gut zehn Jahre älteren Mannes. Ohne Brille kann ich weder lesen noch Auto fahren, vier Zähne sind überkront und mein Haar ist schütter. Mein Hörvermögen ist nicht annähernd so gut wie früher, besonders nicht bei Hochfrequenzgeräuschen. Ich kann keine Nacht durchschlafen, ohne nicht mindestens einmal ins Bad zu gehen. Meine Haut verliert schnell ihre Elastizität, was die Hängebacken und die Runzeln erklärt.
Funktionales Alter? Vermutlich schneide ich da ganz gut ab. Ich habe in meiner akademischen Laufbahn viel geleistet. In aller Bescheidenheit würde ich sagen, dass ich so viel erreicht habe, wie es die meisten Akademiker normalerweise bis zu ihrem sechzigsten Lebensjahr schaffen. Ich hatte es wohl eilig.
Gefühltes Alter? Keine Ahnung. Innerlich fühle ich mich genauso wie mit sechzehn. Ich kenne ein paar mehr Tricks, und ich weiß, wie ich mit gewissen Situationen umgehen muss, denn ich habe sie schon oft genug erlebt, aber im Innern bin ich immer noch derselbe Jugendliche mit denselben Unsicherheiten, Ängsten und Wünschen.
Hinter mir zuckt es wieder grell auf, ein doppelter Blitz. Auf wie alt würde ich Terry schätzen? Chronologisch – über viertausend Jahre, hatte sie gesagt. Biologisch – Ende zwanzig. Funktional – Gott, ein Normalsterblicher, selbst ein äußerst erfolgreicher Geschäftsmann, würde mehrere hundert Jahre benötigen, um ihr Vermögen anzuhäufen. Subjektiv? Das weißich nicht. Ich kann nicht nachvollziehen, wie es sich anfühlt, so lange zu leben. Vielleicht fühlte sie sich auch noch wie mit sech zehn.
Jedenfalls habe ich im Lauf der Zeit ein ähnliches Programm wie das Beaverbrook-Modell entwickelt, das mittels Fragen und Antworten die vier Alterskategorien einer Versuchsperson feststellen konnte. Viel von meiner Arbeit beinhaltete die Messung fluider Intelligenz, der Fähigkeit, neue
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