Der Wettlauf zum Suedpol
schließlich ein Ausbildungscamp im Norden Norwegens. Ganz oben auf der Agenda steht Teambuilding. Anders als die Österreicher müssen die vier Deutschen erst zueinanderfinden, da der prall gefüllte Terminkalender des TV-Moderators Markus Lanz nur wenig Zeit
für das gemeinsame Training lässt. Noch einmal werden Theorie und Praxis für das Rennen gepaukt: Erkennen von Erfrierungen, Verhalten bei Schneesturm, Gletscherspaltentraining, Zeltaufbau, Skifahren. Auf einer Miniexpedition verbringen die Teams zum ersten Mal zwei Nächte miteinander im Zelt im Schnee. Langsam passen sich die vier unterschiedlichen Charaktere einander an. »Es hat sich alles super entwickelt, wir passen gut zusammen, und ich habe jetzt ein gutes Gefühl, dass wir alle heil, glücklich und zufrieden am Südpol ankommen«, bilanziert Claudia Beitsch schließlich die Vorbereitung auf das große Abenteuer. Und Markus Lanz ergänzt: »Natürlich ist es ein Wettlauf, und es ist ein Wettlauf, den wir gewinnen wollen. Wir werden alles daransetzen, am Ende als Erste am Südpol zu sein.«
Abb 41
Gletscherspaltentraining während des Auswahlcamps am Kitzsteinhorn.
Hätte jemand genauer hingesehen, so wären ihm einige Ungereimtheiten aufgefallen: Warum ließ sich Amundsen eine komfortable hölzerne Hütte zimmern, diese in seinem Garten zur Probe aufbauen und dann auf der Fram verstauen? Sollte sie etwa auf einer Eisscholle im Nordpolarmeer errichtet werden? Weshalb besorgte er über Mittelsmänner in London Seekarten des Südpolarmeers? Hatte er die Himmelsrichtungen verwechselt? Und warum um Gottes willen nahm er die 100 grönländischen Schlittenhunde schon in Kristiansand an Bord und mutete den armen Tieren auf der Reise um Kap Hoorn zweimal den Weg durch den Äquator zu, statt sie von Grönland direkt nach Alaska bringen und dort erst verladen zu lassen? Doch Amundsen hatte Glück: Niemand schöpfte Verdacht.
Aufbruch ans Ende der Welt
Am 1. Juni 1910 drängten sich an den Kaimauern der West India Docks im Londoner East End die Menschenmassen. Würdenträger in Frack und Zylinder, Admiräle mit Dreispitz und blitzenden Goldtressen sowie Schaulustige ohne Zahl waren gekommen, um die Terra Nova in der Hauptstadt des britischen Empire auf ihre große Fahrt zu verabschieden. Sir Clements Markham, Scotts einstiger Förderer, sah mit Genugtuung die weiße Flagge der Navy am Hauptmast der Terra Nova aufsteigen – ein Privileg, das man der Discovery noch verwehrt hatte. Sein lang gehegter Traum war endlich Wirklichkeit geworden: Eine britische Antarktisexpedition segelte unter dem weißen Marineemblem nach Süden. Langsam glitt die bunt geschmückte Terra Nova aus dem Hafenbecken und wurde von einem Kreuzer der Navy themseabwärts geschleppt. Auch viele Schiffe auf dem Fluss waren zur Feier des Tages mit Fahnen und Girlanden dekoriert und ließen, wo immer die Terra Nova vorüberkam, ihre Dampfsirenen ertönen. Überall, wo sie in den folgenden Tagen Station machte, wiederholte sich das ganze Brimborium – in Portsmouth und Portland Harbour, dem Sitz der britischen Heimatflotte, wo die Terra Nova durch ein mächtiges Spalier von Schlachtschiffen und Schlachtkreuzern dampfte. »Auf Deck der Panzerkolosse stand die Mannschaft in langen Linien. Ein Hurra aus vielen Tausenden Kehlen ließ die Luft des strahlenden Sommerabends förmlich erzittern«, erinnerte sich Tryggve Gran. Der Höhepunkt der Begeisterung nahte am 15. Juni in Cardiff, wo die Terra Nova noch einmal Kohle bunkerte und dann unter dem Jubel einer vieltausendköpfigen begeisterten Menschenmenge, dem Lärm von zahllosen Feuerwerkskörpern und dem Pfeifen Hunderter Schiffe die britische Küste verließ.
Abb 62
»Still und gelassen fuhren wir aus dem Kristianiafjord«: Nahezu unbemerkt verließ am 6. Juni 1910 die Fram mit dem norwegischen Expeditionsteam an Bord die heimischen Gewässer.
Ganz anders begann die große Fahrt der Fram . In den späten Abendstunden des 6. Juni 1910 trat Roald Amundsen aus seinem Haus am Bunnefjord südlich von Kristiania, schloss die Tür, lief durch den Garten zum Ufer und ging an Bord seines Schiffs. Es gab keine Abschiedszeremonie, keine Reden und kein Feuerwerk. Allein einige Familienangehörige Amundsens waren informiert und schwenkten zum Abschied ihre Taschentücher. Die Fram glitt nahezu unbemerkt hinaus in den Fjord. Gerade brach der fünfte Jahrestag der norwegischen Unabhängigkeit an. Einige Kilometer weiter nördlich blickte als einsamer
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