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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Eis
    Auf der Fram hatte man nach 14 000 Seemeilen Fahrt ohne Zwischenstopp am 11. Januar erstmals die weiße Wand der Großen Eisbarriere gesichtet. Obwohl das norwegische Schiff nur knapp halb so viel Ladung aufnehmen konnte wie das britische, war die Fram mit ihren 19 Mann Besatzung doch weniger überladen als die Terra Nova , auf der insgesamt 65 Mann Dienst taten. Der neue Dieselmotor der Fram sparte nicht nur Platz; er konnte auch von einem einzigen Matrosen bedient werden. Im Vergleich zur Terra Nova waren die Mannschaftsunterkünfte schon fast komfortabel zu nennen. Auch die Norweger hatten ihre Hunde zunächst an Deck untergebracht. Als sich die Tiere nach einigen Wochen an die Umstände der Reise gewöhnt hatten, wurden sie jedoch losgebunden, man nahm ihnen die Maulkörbe ab, und sie konnten sich frei an Bord bewegen. Da das Schiff für die Fahrt durchs Eis konstruiert wurde, schlingerte die Fram auf offener See wie eine Nussschale dahin; doch immerhin konnte ihr auch der stärkste Seegang nichts anhaben.

    Abb 64
    Auf der Fram : Amundsen und der Seilmacher Martin Rønne in Gesellschaft einiger Hunde. Das aufgespannte Sonnensegel spendet Mensch und Tier wohltuenden Schatten.
    Abb 63
    Im Maschinenraum der Fram : Für Wartung und Pflege des neuen Dieselmotors waren nur wenige Maschinisten erforderlich.

    Hatte die Terra Nova drei Wochen im Packeis festgelegen, so war der Fram mit ihrem Dieselmotor und eismeererfahrenen Seeleuten an Bord die Durchfahrt in weniger als vier Tagen gelungen. Nun musste der zuvor von Amundsen ausgewählte Landeplatz gefunden werden. Er hatte sich für ein geradezu revolutionäres Konzept entschieden: Er würde sein Lager nicht auf festem Land errichten, sondern direkt auf dem Eisschild des Ross-Schelfeises. Das hatte bis dahin noch niemand gewagt, brach das Eis an der Meereskante doch permanent ab, stürzte ins Wasser und trieb als gewaltiger Eisberg hinaus in die offene See. Amundsen jedoch suchte einen bestimmten Ort, der von allen Forschern seit James Clark Ross, der als Erster die Barriere entlanggesegelt war, immer wieder beschrieben wurde: eine Bucht im östlichen Bereich des Schelfeises hin zum King Edward VII.-Land. An dieser Stelle war Borchgrevink angelandet und einige Meilen Richtung Süden gefahren. Hier hatte die Besatzung der Discovery 1902 ihren Beobachtungsballon steigen lassen, was dem Ort den Namen »Balloon Bight« eintrug. Als Shackleton 1908 an die Stelle zurückkehrte, hatte sich zwischenzeitlich zwar ein großer Eisblock gelöst und die »Ballonbucht« überdeckt. Dadurch war jedoch eine neue, größere Bucht entstanden. Er nannte sie »Bay of Whales«, Bucht der Wale, weil er in diesem Bereich viele der großen Meeressäuger beobachtet hatte.
    Amundsen hatte die Literatur zu dieser Bucht genau studiert und war zu dem Ergebnis gekommen, »dass das keine zufällige Bildung sein konnte. Was einst im Morgen der Zeiten den mächtigen gewaltigen Eisstrom an dieser Stelle aufgehalten und in der Eisplatte, die sonst fast ganz gerade dahinstreicht, eine feste Bucht gebildet hat, ist keine flüchtige Laune einer furchtbaren Macht gewesen, die dahergebraust kam, sondern etwas ganz anderes, etwas, das fester war als das feste Eis, nämlich festes Land.« Zwar hatte er, wie man heute weiß, unrecht mit seiner Annahme, dass sich unter der Bay of Whales Festland befindet. Doch in der Tat ist die Bucht im Schatten einer im Schelfeis gelegenen Insel weniger Bewegungen ausgesetzt als die übrige Schelfeiskante und damit nach menschlichen Zeitmaßstäben fast eine Dauererscheinung.

    Abb 65
    Die in der Bay of Whales verankerte Fram : Die handkolorierte Aufnahme vom Januar 1911 lässt die kalte Schönheit des Orts erahnen.

    Am 12. Januar hatte die Fram die Bay of Whales entdeckt, doch die Zufahrt war von großen Eisschollen versperrt. Als hätten diese die Bucht bis zur Ankunft des Schiffes bewachen wollen, setzten sie sich am darauf folgenden Tag in Bewegung und gestatteten der Fram am 14. Januar die Einfahrt. »Da liegt sie nun, die Barriere, so wie sie wahrscheinlich schon seit Jahrtausenden daliegt, und badet sich in den Strahlen der Mitternachtssonne«, schrieb Amundsen zur Ankunft in sein Tagebuch. »Es scheint, als schliefe die Prinzessin noch in ihrem kristallenen Schloss. Wenn es uns doch gelänge, sie zu wecken.« Die Fram wurde am Eisrand festgemacht, und der Kapitän brach mit drei Begleitern zu ersten Erkundungen auf. Ursprünglich hatte Amundsen beabsichtigt, das

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