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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Vorstellung von einer schönen Zeit, aber für uns war sie gut genug.«

    Abb 87
    Ein Schluck zur Beruhigung: Scotts Männer versuchen einem Pony, das auf einer Eisscholle abgetrieben worden war, Whisky einzuflößen.
    Abb 88
    In der Discovery -Hütte am Hut Point: Die Hundeführer Dmitrij Girev (links) und Cecil Meares am stinkenden Tranofen.

    Abb 80
    Mit abendlichen Vorträgen, der »Universitas Antarctica«, wollte Scott der um sich greifenden Langeweile entgegenwirken. Im Bild Fotograf Herbert Ponting.
    Nur einer benahm sich wie ein Tiger im Käfig und wartete auf die erste Gelegenheit, endlich in die Geborgenheit von Kap Evans zurückkehren zu können: Robert Falcon Scott. Als das Eis im McMurdo-Sund wieder fester zu werden begann, drängte er zum schnellen Aufbruch, obwohl die Tragfähigkeit des Untergrunds mehr als unsicher schien. Diesmal jedoch hatte er Glück und kam mit seinen Männern durch. Mit ihren langen Bärten, der wettergegerbten Haut und den mit einer Schicht aus Ruß und Tran bedeckten Kleidern wurden die Heimkehrer in Kap Evans zunächst nicht erkannt; manche der Zurückgebliebenen meinten sogar, die Norweger seien im Anmarsch. Doch es waren die eigenen Leute, die wie geprügelte Hunde von ihrer Depottour zurückkehrten – am 21. April 1911 hatte sich die britische Antarktisexpedition wieder vollzählig in ihrem Basislager versammelt. Drei Tage danach senkte sich auch über die Hütte am Kap Evans die Dunkelheit der Polarnacht.
    Wie schon zu Zeiten der Discovery verliefen die folgenden Monate wenig
zielgerichtet. Jeder hatte zwar immer irgendetwas zu tun; die Wissenschaftler sichteten ihre Fundstücke, die Meteorologen lasen ihre Instrumente ab, die Treiber kümmerten sich um ihre Tiere, doch verstrich die meiste Zeit mit nutzlosen Diskussionen – nutzlos jedenfalls in Bezug auf das große Ziel, den Südpol. »Es war so, als gäbe es einen Anschlag ›Fachsimpelei verboten‹«, bestätigte Tryggve Gran. Scott blühte immer dann auf, wenn das abendliche Vortragsprogramm startete, dem er den pompösen Titel »Universitas Antarctica« gegeben hatte, das freilich in den seltensten Fällen auch antarktische Themen behandelte. Stattdessen ging es um Reisen nach Tibet, den Ursprung der Materie oder die Feinheiten der Landvermessung. Einen Namen auszusprechen hüteten sich alle, doch saß er stets als unsichtbarer Gast mit am Tisch – Roald Amundsen.
    Im Mai gab Scott seine Planung hinsichtlich der Eroberung des Pols bekannt, die am 3. November 1911 beginnen und exakt 144 Tage später mit der Rückkehr nach Kap Evans abgeschlossen sein sollte. Dabei betonte er noch einmal ausdrücklich, »dass diese Expedition ihre Pläne fasst und ihre Arbeit durchführt, als existierte Amundsen nicht«. Schnell wurde deutlich, an wem er sich stattdessen orientierte – an Ernest Shackleton. Was Scott vorhatte, war eine Eins-zu-eins-Kopie seines britischen Rivalen, freilich mit einem triumphalen Ende, wie Scott hoffte. Shackleton war das Maß aller Dinge, auch in Sachen Transport. Wider die eigenen Erfahrungen aus dem Herbst hob Scott nun wieder die Ponys als verlässlichstes Transportmittel heraus, zumindest bis zum Gletscheraufstieg. Danach könnten die Schlitten sowieso nur noch von Menschen gezogen werden. Die Hunde hätten sich als Enttäuschung erwiesen. Den Einsatz der Motorschlitten hatte Scott ohnehin schon fast abgeschrieben. Viele der Männer waren sprachlos, die wenigsten dachten wie der etwas einfach gestrickte »Birdie« Bowers: »Das wird eine feine Sache, wenn wir das Plateau mit menschlicher Zugkraft schaffen, wo heutzutage die Engländer oft als dekadent gelten.«
    Mitte Juni begannen die Vorbereitungen der großen Südreise, doch bestanden sie hauptsächlich darin, dass Scott mit seinem Faktotum Bowers lange Tabellen aufstellte, was genau am Tag X auf welchen Schlitten gepackt werden sollte: Außerdem wurde die Ausrüstung von der Mannschaft zwar überholt, nicht jedoch verbessert. Ohnehin hatte sich Scott
wieder auf das standardmäßige Equipment verlassen, das sich schon zu Zeiten der Discovery als mangelhaft erwiesen hatte. Seine den indianischen Tipis nachempfundenen Zelte hatten keine eingenähte Bodenplatte und wurden von außen über ein Gerüst von Stangen aufgezogen, was bei Schneesturm eine äußerst heikle Angelegenheit war. Amundsens Zelte dagegen ließen sich von innen mit einem einzigen leichten Bambusstab aufstellen. Auch bei der Wahl seiner Bekleidung vertraute Scott auf die

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