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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Metall zum Beispiel mit bloßen Händen anzufassen hat bei 35 Grad unter dem Gefrierpunkt verheerende Folgen. Wer sich das in der extremen Kälte immer noch flüssige, aber ebenso kalte Benzin über die bloße Hand gießt, muss mit sofortigen Erfrierungen rechnen. Ein dicker Daunenparka schützt den Körper in den Rennpausen vor dem sofortigen Auskühlen. Alles das ist unbedingt trocken zu halten, Feuchtigkeit in den Stiefeln oder Handschuhen wird sofort zu Eis – auch hier drohen Erfrierungen.
    Auch wenn sich die Materialien natürlich geändert haben, ist das heutige Prinzip von Ski und Schuhen dem vor 100 Jahren sehr ähnlich. Die Stiefel, die vor allem warm halten müssen, sind zu klobig, um in einer gängigen Sportbindung zu funktionieren. Darüber hinaus sind zum Beispiel moderne Langlauf- oder Tourenbindungen zu filigran und daher vor allem zu schwierig zu reparieren, um in der Antarktis nützlich zu sein. Daher werden die Schuhe auch heute auf einem Metallscharnier einfach mit Lederriemen befestigt – das sieht nicht unbedingt »stylish« aus, ist aber sehr effizient.

    Abb 76
    »Framheim«: Ein nachträglich koloriertes Gruppenbild mit den wichtigsten Expeditionsteilnehmern (von links nach rechts): Bjaaland, Hassel, Wisting, Hansen, Amundsen, Johansen, Stubberud, Prestrud.
    Ursprünglich hatte auch Amundsen erst Anfang November zum Pol aufbrechen wollen, doch je weiter der Winter voranschritt, desto weniger konnte er seine Ungeduld im Zaum halten. Die Motorschlitten der Engländer bereiteten ihm zunehmend Bauchschmerzen. Würden diese sich vielleicht doch als der entscheidende Faktor erweisen, der alle seine wohldurchdachten Pläne zunichtemachte? Im Juli präsentierte Amundsen seinen Kameraden einen »verbesserten Plan« – demnach wollte er schon Mitte September aufbrechen, sich bis zum 83. Breitengrad durchschlagen, dort Iglus errichten und bei günstigen Wetterbedingungen den Weg zum Pol fortsetzen. Ein paar Tage später erschien ihm auch das noch zu spät: Nun sollte der Marsch schon mit der Rückkehr der Sonne Ende August losgehen – angesichts der zu dieser Zeit herrschenden Temperaturen von teilweise unter minus 50 Grad Celsius schien das den anderen viel zu früh. Doch in dieser Frage ging der Chef auf keine Diskussionen mehr ein. »Der Gedanke an die Engländer ließ ihm keine Ruhe«, schrieb Sverre Hassel in sein Tagebuch. »Denn wenn wir nicht die Ersten werden, hätten wir ebenso gut zu Hause bleiben können.«

    Abb 47
    Abb 77
    Alle Abbildungen dieser Doppelseite: Die »Polartracht« der Norweger (linke Seite: Roald Amundsen) basierte auf der Ausstaffierung der Inuit und bestand im Wesentlichen aus Rentierfellen, die zu Anoraks, Hosen und Strümpfen verarbeitet worden waren.
    Abb 78
    Diese Kleidungsstücke, in denen sich außer ihrem Chef auch noch Oscar Wisting (links), Olav Bjaaland (unten links) und Helmer Hansen (unten rechts) ablichten ließen, sollten ihre Funktionalität noch unter Beweis stellen.

    Inzwischen wusste die ganze Welt vom Wettlauf um den Südpol. Am 31. März 1911 war die Terra Nova in Neuseeland eingetroffen und hatte die Nachricht um den Globus geschickt. Vor allem in Großbritannien schlugen nun die Wellen der Empörung hoch. Sir Clements Markham, der sich nach wie vor als Schutzheiliger der britischen Antarktisforschung gerierte, sprach von »schmutzigen Tricks« Amundsens, den er als »Lump«, »Schuft« und »Eindringling« verunglimpfte. Der norwegische Gesandte konstatierte: »Es herrscht hier die weit verbreitete Meinung, dass Amundsens Verhalten nicht fair und gentlemanlike ist.« Auch in Norwegen selbst wurde die Neuigkeit nicht mit ungeteilter Zustimmung aufgenommen, fürchteten doch viele Menschen diplomatische Verwicklungen mit dem Empire, das zu den Garanten der jungen norwegischen Unabhängigkeit gehörte. Erst als Fridtjof Nansen in der Londoner Times die Partei seines Landsmanns ergriff, versachlichte sich die Diskussion. Unfaires Handeln sei Amundsen, so Nansen, »völlig fremd«; dieser habe nur gezwungenermaßen seinen Kurs geändert. Die Operationsbasen beider Expeditionen lägen zudem so weit auseinander, dass von einem Eindringen in fremde Einflusssphären keine Rede sein könne. Bald wurden die Antarktisexpeditionen für beide Länder eine Angelegenheit des sportlichen Ehrgeizes. Unterstützerkomitees wurden gegründet, patriotische Reden gehalten und Spenden gesammelt. Und als Leon Amundsen im Juni 1911 London besucht hatte, war er mit einem

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