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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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zwar vorerst wiederhergestellt, doch es blieb mehr als ein schaler Beigeschmack. Wisting und Hansen hätten beide über Erfrierungen geklagt, deren Behandlung umgehend erforderlich gewesen wäre. Nur deshalb hätten sie nicht auf die anderen gewartet,
rechtfertigte er sich in seinem Tagebuch. »Nun stellt sich heraus, dass auch eine Ferse Prestruds erfroren ist. Aber er hat mir keinen Ton darüber gesagt. Hätte ich das gewusst, hätte ich ihm natürlich sofort meinen Platz auf Wistings Schlitten überlassen, von dem ich wusste, dass er als Erster nach Hause kommen würde.« Es ist freilich fragwürdig, warum dem scharfen Beobachter Amundsen Prestruds Zustand nicht aufgefallen sein sollte, der bereits in den Tagen zuvor immer als Letzter und der Erschöpfung nahe bei den abendlichen Haltepunkten eingetroffen war.
    War Amundsen bereit, für sein großes Ziel auch über Leichen zu gehen? »Zynisch betrachtet waren damit die drei wichtigsten Teilnehmer des Unternehmens wohlbehalten zurückgekommen«, schreibt Amundsen-Biograf Bomann-Larsen. »Mit Wisting und Hansen in guter Verfassung konnte Amundsen jederzeit einen neuen Versuch wagen. Die Expedition war damit gerettet.« Nüchtern gesehen erwies sich die Verkleinerung der Polgruppe auf fünf Mann als echter Glücksgriff – waren die Vorräte doch für acht Personen berechnet, was die Sicherheitsmargen für jeden einzelnen Teilnehmer fast verdoppelte. Zudem stellte die nun verfügte Osttour unter Leitung von Prestrud, der froh war, nicht noch einmal auf den Höllentrip nach Süden zu müssen, und Johansen, der sich schließlich doch als »Privatmann« an dem Erkundungsunternehmen beteiligte, auch eine perfekte Alibiveranstaltung dar: Sollte der Sturm auf den Südpol scheitern, so konnte die Expedition am Ende unter Umständen zumindest noch einige wissenschaftliche Ergebnisse der Erforschung des Edward VII.-Lands vorweisen.
    Gute 650 Kilometer westlich von Framheim am McMurdo-Sund dachte noch niemand daran, zum Pol aufzubrechen. Am 13. September stellte Scott seinen detaillierten Plan für die Südreise vor. Zwölf Männer waren dafür vorgesehen, von denen freilich nur vier tatsächlich bis zum Pol gehen würden. Der Rest der Truppe sollte nach einem komplizierten System die Hauptgruppe etappenweise zunächst direkt unterstützen und dann Verschiebearbeit zwischen den einzelnen Depots leisten. Alle verfügbaren Transportmittel hatten ihren Platz: Die Motorschlitten würden zuerst aufbrechen und Brennstoff sowie Futter transportieren. Dann folgten die Hunde, deren Schlitten hauptsächlich mit Futter für die Ponys bestückt waren. Den Ponys war die Hauptrolle auf dem Schelfeis zugedacht: Sie sollten ihre Lasten bis zum Gletscheraufstieg tragen; wobei sich Scott inzwischen dazu durchgerungen hatte, sie dort erschießen zu lassen. Die Hunde würden dann umkehren und die Männer schließlich in guter britischer Tradition ihre Schlitten selbst ziehen. »Alle waren begeistert«, trug Scott danach in sein Tagebuch ein, »und es besteht allgemein Zustimmung, dass der Plan so berechnet ist, dass wir das Beste aus unseren Möglichkeiten machen. Obwohl einzelne Punkte lange erörtert wurden, wurde nicht ein einziger Verbesserungsvorschlag gemacht. Alle scheinen volles Vertrauen zu haben: Jetzt muss unser Spiel nur noch zu Ende gespielt werden.«

    Abb 138
    In der Hütte der Briten mussten die Expeditionsteilnehmer, hier (von links) Cherry-Garrard, Bowers, Oates, Meares und Atkinson, auf engstem Raum überwintern.
    Abb 139
    Scott in seinem Alkoven: Als Leiter der Expedition beanspruchte er für sich mehr Platz als die übrigen Männer.

    Abb 141
    Oates (rechts) mit einem der Ponys, die für ihn allesamt »Krüppel« waren.
    Offen blieb freilich, ob die Männer wirklich so glücklich mit Scotts Plänen waren, oder ob sie es als klüger erachteten, sich in der streng nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam geführten britischen Antarktisexpedition mit Kritik an ihrem oft dünnhäutigen obersten Vorgesetzten zurückzuhalten. Nur in ihren privaten Aufzeichnungen sprachen manche Klartext, so wie Lawrence Oates, der für die Ponys verantwortlich war: »Ich bin natürlich sehr verärgert, da es vollkommener Schwachsinn ist, mit einem Haufen Krüppel zu starten, und Scott will nicht glauben, wie schlecht sie sind; er glaubt, ich würde sie immer schlechter machen, als sie sind«, schrieb er an seine Mutter. »Ich hege eine tiefe Abneigung gegen Scott und würde das ganze Zeug

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