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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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zweite Hälfte der Reise zu schicken, wird ihm erlaubt, einmal kurz das Zelt zu verlassen.
    Abb 185
    Markus Lanz wird vom Arzt auf Erfrierungen untersucht.
    Auch die restlichen sieben Rennläufer haben Glück: Die eine oder andere Nasenspitze ist zwar etwas malträtiert, doch sie kommen ohne größere Blessuren am Ziel ihrer Reise an. Letzten Endes gilt in Bezug auf Erfrierungen das Gleiche wie in allen anderen Belangen einer Antarktisexpedition: Jeder Teilnehmer muss jederzeit auf sich achtgeben, sonst kann es fatale Folgen haben. Doch wer zum Südpol reisen möchte, sollte sich das vorher auch genau überlegt und sich gewissenhaft darauf vorbereitet haben.

    Doch Zeit, anzuhalten und Verletzungen auszukurieren, blieb den Männern nicht: Zum einen neigte sich der antarktische Sommer stetig seinem Ende zu, was die Temperaturen nur noch weiter in den Keller treiben würde. Zum anderen hätte jeder Tag Rast bedeutet, dass die äußerst knappen Schlittenvorräte an Lebensmitteln und Brennmaterial unter Umständen nicht mehr bis zum nächsten Depot reichen würden. Anfangs hatte Scott das Tempo forciert, weil er glaubte, die Anfang Februar am McMurdo-Sund zurückerwartete Terra Nova noch mit der Nachricht von seiner Ankunft am Pol erreichen zu können. Doch bald waren die Männer aus reinem Selbsterhaltungstrieb gezwungen, sich jeden Tag bis weit über die Grenzen der Erschöpfung vorwärtszuschleppen. »Wir müssen marschieren, um auf der vollen Ration bleiben zu können, und wollen doch Ruhe, aber dennoch müssen wir weiter voran«, war Scott gezwungen zuzugeben.
    Es war kein Wunder, dass sich dabei immer wieder Unfälle und Beinahekatastrophen ereigneten, die ihre Belastungsfähigkeit weiter beeinträchtigten. Am 29. Januar zog sich Wilson bei einem ungeschickten Schritt eine schmerzhafte Zerrung am linken Unterschenkel zu, sodass er sich einige Tage lang nur noch humpelnd fortbewegen konnte. Ähnlich erging es Oates, dessen erfrorene Zehen sich langsam blauschwarz verfärbten. Am 2. Februar war Scott selbst der Leidtragende, als er an einem der ersten Berghänge des Beardmore-Gletschers den Halt verlor und sich böse die Schulter prellte. »Es tut höllisch weh heute Nacht, und damit ist ein weiterer Kranker im Zelt dazugekommen – drei von fünf sind verletzt, und die unangenehmsten Oberflächen stehen uns noch bevor. Wir können froh sein, wenn wir ohne größere Verletzungen durchkommen«, schrieb er am Abend ins Tagebuch. »Es ist wirklich Zeit, dass wir von der Höhe herunterkommen – ich bete zu Gott, dass wir es in vier Tagen hinter uns haben. Unsere Schlafsäcke werden sehr nass, und wir sollten mehr Schlaf bekommen.«
    Ausgerechnet jetzt, zu Beginn des Gletscherabstiegs, entschloss sich Scott, das mühselige Suchen der alten Spuren und Wegmarkierungen vom Hinweg aufzugeben. Dabei wäre es nun gerade sinnvoll gewesen, die eigenen Fußstapfen zurückzuverfolgen, da der Weg durch tückisches, von Spalten und Irrwegen durchsetztes Gelände verlief. Offenbar vertraute Scott auf seine traumwandlerische Sicherheit, mit der er einige Wochen zuvor seine Leute den Gletscher heraufgebracht hatte, doch seine Fortune in dieser Beziehung war aufgebraucht. Statt schneller voranzukommen,
blieben die Männer immer wieder in Sackgassen gewaltiger Eisblöcke stecken und mussten sich tagelang durch ein grauenvolles Chaos von Gletscherspalten quälen. Problematisch war dieses Umherirren auch deshalb, weil sie zwingend darauf angewiesen waren, zum sogenannten Oberen Gletscherdepot zu kommen. Hätten sie sich weiterhin bemüht, ihren alten Markierungen zu folgen, so wäre die Chance groß gewesen, auf direktem Weg dorthin zu gelangen. Nun aber mussten sie versuchen, gewissermaßen im Blindflug bei der richtigen Stelle einzutreffen.
    Die Nerven der Männer waren zum Zerreißen gespannt. Es war deshalb wenig verwunderlich, dass es bei der erstbesten Gelegenheit zur Explosion kam. Am Morgen des 7. Februar stellten sie fest, dass eine komplette Tagesration Zwieback fehlte. Was bei den Norwegern kaum ins Gewicht gefallen wäre, erwies sich für die geschwächten Briten als lebensbedrohliche Situation. Scott war außer sich und ließ seinen Zorn an Bowers aus, der sich seinerseits furchtbar aufregte. Wieder einmal musste Wilson schlichten. Zum Glück erreichten sie am Abend dieses Tages das Depot und hatten damit erst einmal wieder genug Lebensmittel – für gerade einmal fünf Tage. In dieser Zeit mussten sie zum nächsten, dem

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