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Der Widerschein

Der Widerschein

Titel: Der Widerschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schönherr
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Beuningen die Gestalt hämisch kichern.
    Bevor er erkennen konnte, wer jene Gestalt war, erwachte Beuningen.
    Laut schrie er auf, als seine Magd fragte, ob er Hilfe benötige. Er packte ihre Schultern, starrte ihr panisch ins Gesicht und schleuderte sie zuletzt zu Boden. Entsetzt sah er ihr nach, wie sie zwischen Stühle und Tisch fiel, aufschlug, sich heulend Kopf und Arme hielt.
    Was hatte er getan? Wo und vor allem wer war er? Die Magd heulte, was sie verbrochen habe, ob es dem Herrn nicht gutgehe – da erst merkte Beuningen, dass er seinen Stock nicht bei sich hatte – mit einem Schlag fiel er um. Dabei stammelte er, man solle seinen Assistenten rufen und dazu einen Geistlichen, die Kinder zu ihm, alle Sachen der Erhängten umgehend verbrennen – es sei alles besessen! Von wem?
    Vom Teufel natürlich, vom Teufel selbst!
    * * *
    Kein Wort sollte sein Assistent Jansen sagen; schwören, dass er niemals und zu niemandem – außer zum Pfarrer, wenn der denn noch käme – über diesen Vorfall sprechen würde. Erst, als Jansen trotz gehöriger Skepsis der Bitte nachkam, ließ Beuningen ihn eintreten.
    Rauch zog sich durch sämtliche Stuben; Beuningen hatte nicht nur Besitz und die Erhängten selbst verbrennen lassen – draußen vor der Stadt –, sondern auch Schuhe, Kleider und sogar die Haare der Kinder. Dies alles brannte nun im Kamin. Die Kinder warteten in Nachthemden und Decken gehüllt im Speiseraum.
    Beuningen führte Jansen in sein Arbeitszimmer, schilderte ihm die Lage: den übereilten Prozess, den Irrtum, die Umstände, wie es zu all dem kommen konnte. Jansen erkannte seinen Vorgesetzten nicht wieder: Kaum, dass dieser einige wenige schüchterne Sätze hervorgebracht hatte, steigerten sich seine Ausführungen zu ekstatischen Äußerungen, wobei seine Gesten, Gesichter und Darbietungen bald zu grotesken Verformungen und lächerlichen Grimassen ausuferten.
    Nach der anfänglichen Überraschung entspannte sich Jansens Miene. Nüchtern berechnete er die erwartbaren Konsequenzen aus dem Fehlverhalten seines Vorgesetzten. Ängste und Selbstzweifel des Richters wurden von Jansen kommentiert und bestätigt – tatsächlich sehe er als Assistent kaum eine Möglichkeit, seinen Dienstherren vor Strafe zu bewahren.
    Zuletzt stand er auf: Er verstehe die Besorgnis und auch die eiligen Handlungen des Herrn Richters – allerdings sei so etwas wie Besessenheit seit Jahren nicht mehr vorgekommen, man lebe ja Gott sei Dank in aufgeklärten Zeiten. Teufelsaustreibungen seien seiner Meinung nach eher etwas für Märchen und Geistergeschichten – das wisse er als Richter vermutlich selbst.
    Beuningen blieb dabei: Man sollte einen Pfarrer herbeiholen, um den bösen Geist aus diesen Geschöpfen auszutreiben. Jansen ließ sich zu den Kindern führen, die zitternd und kahlköpfig unter Decken und Tüchern hervorlugten. Während er alle begrüßte und pro forma nach dem Befinden fragte, sprang Beuningen wie toll von einem zum anderen; er solle nicht trödeln, der Pfarrer müsse herbei, sofort! Man müsse gleich anfangen, sonst werde er seines Lebens nicht mehr froh und könne für das Wohl der Kinder nicht mehr garantieren.
    Jansen sah ihn fragend an.
    Gut, meinte Jansen, er werde sehen, was zu tun sei. Dafür müsse man die Kinder – er überlegte, nickte sich dann selbst zu – sobald wie möglich zum Waisenhaus der Kirche führen. Dort würden sie mindestens einen Monat lang bleiben; erstens zu ihrem eigenen Schutz und zweitens, um genügend Klarheit in die ganze Angelegenheit zu bringen.
    Er werde mit dem zuständigen Pfarrer schnellstmöglich einen Termin vereinbaren.
    Ob die Stadt für die Unkosten aufkäme?
    Unter keinen Umständen!
    Er selbst käme für alles auf – nur zu niemandem ein Wort!
    Der Richter nahm einen mit Münzen prall gefüllten Beutel, griff hinein und händigte seinem Assistenten eine große Handvoll aus, zögerte, übergab schließlich den gesamten Beutel an Jansen. Dies sei ebenfalls von den Erhängten, das würde sicher genügen, um die anfallenden Kosten zu decken.
    Das Geld in seiner Hand zauberte ein Lächeln auf Jansens Gesicht. Freundlich nickend nahm Jansen den Beutel an und reichte – entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten – dem Richter zum Abschied auch noch die Hand.
    * * *
    Erst am Abend fiel Beuningen auf, dass er Jansen das Falschgeld ausgehändigt hatte. Es war ihm egal. Blass und zitternd hatte er sich in sein Bett zurückgezogen, alle Prozesse abgesagt.
    Sechzehn Menschen!
    Nie

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