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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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durchsichtigen Haut überzogen, durch die Knochen und Sehnen zu erkennen waren. Blaine hatte den Eindruck, als ob das Blut nur sehr träge durch die brüchigen, purpurnen verkalkten Venen strömte und jeden Augenblick drohte, zu versiegen. Und doch verriet Reillys Haltung Entschlossenheit und die Augen in seinem kleinen humorvollen Schrumpelgesicht blickten klar in die Welt hinein.
    »Das ist also unser Mann aus der Vergangenheit!«, sagte Mr. Reilly. »Setzen Sie sich bitte, Sir. Sie auch, Ms. Thorne.
Ich habe gerade mit meinem Großvater über Sie gesprochen, Mr. Blaine.«
    Blaine blickte sich um und erwartete beinahe, den seit fünfzig Jahren toten Großvater über sich schweben zu sehen. Doch in dem verschnörkelten Raum mit der hohen Decke war keine Spur von ihm zu entdecken.
    »Er ist fort«, erklärte Mr. Reilly. »Der arme Großvater kann immer nur kurz in einem Ektoplasma-Zustand bleiben. Aber da hat er immer noch mehr Glück als die meisten anderen Geister.«
    Blaines Gesichtsausdruck musste sich verändert haben, denn Reilly fragte: »Glauben Sie nicht an Geister, Mr. Blaine?«
    »Ich fürchte nein.«
    »Natürlich nicht. Ich nehme an, dass das Wort für Ihren im zwanzigsten Jahrhundert lebenden Verstand eine Reihe unglücklicher Nebenbedeutungen hat. Rasselnde Ketten, Skelette und ähnlicher Blödsinn. Aber Worte verändern ihre Bedeutung und selbst die Wirklichkeit verändert sich zusammen mit der Menschheit, die die Natur ändert und manipuliert.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Blaine höflich.
    »Sie glauben, das sei Etikettenschwindel«, sagte Mr. Reilly gut gelaunt. »Lag aber nicht in meiner Absicht. Nehmen Sie doch mal die Art und Weise, in der Worte ihre Bedeutung verändern. Im zwanzigsten Jahrhundert wurde das Wort ›Atom‹ zu einem Schlagwort für fantasievolle Schriftsteller: all die ›Atomkanonen‹ und ›atomgetriebene Schiffe‹ und so weiter. Ein absurdes Wort, das jeder vernünftige Mensch eigentlich am besten ignorieren sollte, so wie Sie mit Ihrem Vernunftverständnis das Wort ›Geist‹ verwerfen. Und doch konnten ›Atome‹ nur wenige Jahre später das Bild einer äußerst realistischen und unmittelbaren Bedrohung heraufbeschwören. Kein vernünftig denkender Mensch konnte das Wort länger ignorieren!«

    Mr. Reilly lächelte, in seine Erinnerungen verloren. »Das Wort ›Strahlung‹ wurde von einem langweiligen Lehrbuchausdruck zu einer Quelle von Krebsgeschwüren. Zu Ihrer Zeit war ›Raumkrankheit‹ ein abstrakter Begriff ohne praktischen Sinn. Aber fünfzig Jahre später bedeutete er Krankenhäuser voller verrenkter Leiber. Mr. Blaine, Worte haben die Neigung, sich zu verändern, und zwar vom abstrakten, fantastischen oder akademischen Gebrauch zu funktionalen, realistischen Alltagsausdrücken. So etwas geschieht eben, wenn die Technik die Theorie einholt.«
    »Und Geister?«
    »Das ist ein ähnlicher Fall. Mr. Blaine, Sie sind altmodisch! Sie müssen einfach Ihre Vorstellung von diesem Wort ändern.«
    »Das wird schwierig sein«, meinte Blaine.
    »Aber unumgänglich. Denken Sie daran, es gab immer eine ganze Menge Beweismaterial für ihre Existenz. Man könnte sagen, dass die Prognose für ihre Existenz günstig war. Und als das Leben nach dem Tod zu einer Tatsache geworden war, statt lediglich ein frommer Wunsch zu sein, da wurden Geister eben auch zu einer Tatsache.«
    »Ich glaube, ich müsste erstmal einen sehen«, sagte Blaine.
    »Das werden Sie zweifellos auch. Aber genug davon. Sagen Sie, wie gefällt Ihnen unsere Zeit?«
    »Bisher nicht allzu sehr«, erwiderte Blaine.
    Reilly stimmte ein erheitertes, meckerndes Lachen an. »Bodyjacking sagt Ihnen wohl nicht so sehr zu, wie? Aber Sie hätten nicht das Gebäude verlassen dürfen, Mr. Blaine. Das konnte weder in Ihrem eigenen Interesse noch in dem der Firma liegen.«
    »Es tut mir leid, Mr. Reilly«, sagte Marie Thorne. »Das war meine Schuld.«

    Reilly blickte sie kurz an, dann wandte er sich wieder an Blaine. »Es ist natürlich ein Jammer. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, hätte man Sie Ihrem Schicksal im Jahre 1958 überlassen sollen. Ehrlich, Mr. Blaine, Ihre Gegenwart hier bringt uns etwas in Verlegenheit.«
    »Das bedaure ich.«
    »Mein Großvater und ich haben uns, leider zu spät, fürchte ich, darauf geeinigt, Sie nicht für Werbezwecke einzusetzen. Diese Entscheidung hätte früher getroffen werden müssen. Aber es ist nun leider erst jetzt geschehen. Doch entgegen unserem Wunsch könnte es dennoch zu

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