Der widerspenstige Planet
»Okay, Raeder, laufen Sie.«
Er öffnete die Tür.
»Warten Sie.« Sie beugte sich hinüber und küsste ihn auf den Mund. »Viel Glück, Sie Idiot! Rufen Sie mich an, wenn Sie es geschafft haben.«
Er hetzte in den Wald.
Er rannte zwischen Birken und Fichten hindurch, kam gelegentlich an einem Haus vorbei, wo sich Gesichter an die Fensterscheiben pressten. Einer der Bewohner musste die Bande verständigt haben, denn seine Verfolger waren knapp hinter ihm, als er den kleinen Hohlweg erreichte. Die guten Leute wollten sehen, wie jemand dem Tod in die Arme lief – oder vielleicht auch, wie er ihm ganz knapp entging.
Es kam auf dasselbe heraus.
Er sprang in das dichte Unterholz des Hohlweges, verkroch sich darin und blieb regungslos liegen. Die Gangster erschienen auf beiden Seiten, streiften langsam durch die Böschungen, achteten auf den geringsten Laut. Er hörte einen Revolverschuss. Aber die Männer hatten nur ein Eichhörnchen geschossen. Es wand sich einen Augenblick, dann war es still.
Plötzlich hörte Raeder den Hubschrauber des Fernsehens heranbrummen und fragte sich, ob Kameras auf ihn gerichtet waren. Möglich. Und wenn man ihn sah, war vielleicht wieder irgendein Guter Samariter bereit, ihm zu helfen.
Raeder lag im Gebüsch auf dem Rücken, machte ein frommes Gesicht, faltete die Hände und begann zu beten. Er betete leise, weil das Publikum für zu auffällige Religiosität nichts übrighatte. Aber seine Lippen bewegten sich. Das konnte man keinem Menschen verwehren.
Und er betete wirklich. Einmal hatte ein Lippenleser im Publikum einen Flüchtigen dabei ertappt, dass dieser zu
beten vorgab, in Wirklichkeit aber Multiplikationen vor sich hin murmelte. Dem Mann war jede Hilfe versagt geblieben.
Raeder beendete sein Gebet. Er warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass er noch zwei Stunden überstehen musste.
Und er wollte doch nicht sterben! Das ganze Geld war dies nicht wert, wie viel sie ihm auch bezahlen mochten! Er musste verrückt gewesen sein, total wahnsinnig, sich darauf einzulassen …
Aber er wusste, dass das nicht der Wahrheit entsprach – er erinnerte sich genau, wie klar er bei Verstand gewesen war.
Es war erst eine Woche her, seitdem er im Studio von Das Millionenspiel gewesen war, in die Scheinwerfer geblinzelt und sich von Mike Terry die Hand hatte schütteln lassen.
»Nun, Mr. Raeder«, hatte Terry ernst gefragt, »haben Sie die Regeln des Spiels begriffen, an dem Sie sich beteiligen wollen?«
Raeder hatte genickt.
»Wenn Sie mitmachen, Jim Raeder, sind Sie eine Woche lang ein gejagter Mann. Mörder werden Ihnen auf der Spur sein, Jim. Ausgebildete Killer. Männer, die wegen anderer Verbrechen gesucht werden und für diese eine Tat nach dem Gesetz über freiwilligen Selbstmord Straffreiheit erhalten haben. Sie werden versuchen, Sie umzubringen, Jim – begreifen Sie das?«
»Ja«, hatte Raeder geantwortet, genauso wie er auch verstanden hatte, dass man ihm eine Million Dollar aushändigen würde, wenn er die Woche überlebte.
»Ich frage Sie noch einmal, Jim Raeder. Wir zwingen keinen Menschen, mit seinem Leben als Einsatz zu spielen.«
»Ich will spielen«, war Raeders Antwort gewesen.
Mike Terry hatte sich anschließend an das Publikum gewandt. »Meine Damen und Herren, ich habe hier die Durchschrift eines ausführlichen psychologischen Testberichts, den eine unparteiische Institution auf unseren Wunsch über Jim Raeder erstellt hat. Gegen Einsendung von fünfundzwanzig Cent für Portokosten wird jedem Interessenten ein Exemplar zugeschickt. Der Test zeigt, dass Jim Raeder geistig gesund, völlig im Gleichgewicht mit sich selbst und in jeder Hinsicht voll verantwortlich ist. Wollen Sie immer noch mitmachen, Jim?«
»Ja.«
»Na prima!«, hatte Mike Terry gerufen. »Jim Raeder, darf ich Ihnen Ihre Gegner vorstellen …«
Und dann war die Thompsonbande ins Studio einmarschiert, vom Publikum mit Pfiffen begleitet.
»Schauen Sie sich diese Männer an, liebe Zuschauer!« Mike Terry war voll unverhohlener Verachtung gewesen. »Schauen Sie sie sich nur an! Asozial, durch und durch verrottet, völlig amoralisch. Diese Männer kennen kein anderes Gesetz als den abnormen Kodex des Verbrechers, keine Ehre als die Ehre des feige angeworbenen Mörders. Sie sind dem Untergang geweiht, verurteilt von unserer Gesellschaft, die ihr Unwesen nicht lange dulden wird, einem frühen, schäbigen Tod vorherbestimmt.«
Das Publikum hatte mit Begeisterungsrufen
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