Der Widerstand
lächelte. »Man soll jeden Morgen vor dem Frühstück drei unmögliche Dinge glauben.«
»Das ist dumm, Daddy«, meldete sich eine andere Stimme zu Wort. Hinter ihm stand sein Sohn Malachai Dvorak, an seiner Oberlippe klebte Kakao. Aus Anlass des Überlebens ihrer Welt hatten sie aus dem Vorrat in der Höhle unter anderem eine Packung Instantkakao geholt, von der der Junge eine Tasse trank. Als Malachai den Kopf schüttelte, reflektierte sein rötliches Haar den Lichtschein der leise zischenden Coleman-Laterne.
»Unmögliche Dinge sind nicht echt«, ließ er seinen Vater mit der unwiderlegbaren Logik eines Sechsjährigen wissen. »Und wenn was nicht echt ist, dann soll man auch nicht daran glauben.«
»Meinst du?«
Malachai nickte nachdrücklich, woraufhin Dvorak den Arm von Sharons Schulter nahm, um das Haar des Jungen zu verwuscheln, dann sah er zu seinen Töchtern. Maighread schaute ihn an, während Morgana in ihrer Tasse die Marshmallows aus dem Kakao zu fischen versuchte. Zumindest war sie ganz auf den Inhalt der Tasse konzentriert.
»Was meinst du, Maighread?«, fragte er. »Soll man an unmögliche Dinge glauben?«
»Also …«
Sie legte den Kopf schräg und dachte angestrengt nach, dann drehte sie sich zu dem noch zierlicheren blonden Mädchen um, das neben ihr stand. Zinaida Karpovna ihrerseits betrachtete ihre Tasse Kakao voller Ehrfurcht.
»Was meinst du, Zinaida?«, wollte Maighread wissen.
»Was denn?«, gab sie zurück und sah hoch. »Ich hab nicht zugehört.«
Die kleine Russin sprach perfektes Englisch, aber das war nicht weiter verwunderlich. Immerhin hätte Maighread die Frage in genauso perfektem Russisch stellen können, wenn sie es gewollt hätte. Zu verdanken hatten sie das dem Neuraledukator, der in der Höhle installiert worden war. Sie hatten ihre Beziehungen ein wenig spielen lassen müssen – was Dvorak auch zugegeben hätte, wäre er danach gefragt worden –, um den Edukator zu bekommen, aber mit allzu viel Theater war das nicht verbunden gewesen. Mehr als dreitausend Exemplare waren derzeit weltweit im Einsatz, und sobald die Infrastruktur wiederaufgebaut war, würde die Produktion von Nachschub an oberster Stelle stehen. In der Zwischenzeit würde Dave Dvorak seinen Traum verwirklichen und Geschichtslehrer werden, zumal er jetzt auch noch auf die Geschichte einer ganzen interstellaren Zivilisation zugreifen konnte.
Die Kinder hielten es auf jeden Fall für eine gute Idee. Für sie war der Neuraledukator die größte und beste Enzyklopädie im ganzen bekannten Universum, und ihr Wissensdurst schien unstillbar zu sein. Allerdings mussten die Erwachsenen darauf achten, dass die Kinder nicht zu viel Wissen in zu kurzer Zeit aufnahmen. Es gab physiologische Grenzen, wie viele neural aufgenommene Informationen ein noch im Wachstum begriffenes Gehirn speichern konnte, ohne dass es zu kognitiven und psychologischen Schäden kam.
Außerdem lieferten die Neuraledukatoren nur das reine Wissen, nicht aber die Fähigkeit, es auch zu begreifen und mit komplexen Konzepten umzugehen. Es würde noch eine Weile dauern, bis die Kinder alt genug waren für eine vollständige Nutzung des Neuraledukators. Zudem schienen sie noch nicht verstanden zu haben, dass sie trotz allem die Schule würden besuchen müssen, um die nötigen kognitiven Fähigkeiten zu entwickeln, um mit diesen Konzepten umgehen zu können. Allerdings verfügten sie bereits über gut entwickelte Fähigkeiten im Bereich Sprachen, und da Zinaida und ihre Familie vorläufig bei ihnen wohnen würden, hatten die beteiligten Eltern einstimmig beschlossen, ihre Kinder zweisprachig aufwachsen zu lassen.
»Daddy will wissen, ob man an unmögliche Sachen glauben soll«, erklärte Maighread.
»Natürlich soll man das«, erwiderte sie wie selbstverständlich. »Wenn wir nicht an unmögliche Sachen glauben, dann wären wir jetzt nicht hier. Ich meine, wenn man mich gefragt hätte, ob ich daran glaube, dass ich irgendwann mal wieder einen heißen Kakao trinken werde, dann hätte ich bestimmt gedacht, dass das ziemlich unmöglich ist.«
Dann ließ sie ein Schulterzucken folgen, und Dvorak nickte.
»Gute Antwort, Kleine«, sagte er und zupfte spielerisch an ihrem Ohrläppchen. Schließlich wandte er sich wieder seinem Sohn zu. »Weißt du, Malachai, alles ist erst mal unmöglich, bis irgendjemand fest genug daran glaubt, um es Wirklichkeit werden zu lassen.«
»Eine ausgezeichnete Feststellung«, ertönte eine andere Stimme, woraufhin
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