Der Widerstand
Monster mehr zu sein. Er glaubt, er hat es noch nicht geschafft, aber ich finde, er irrt sich. Ich habe ihn gesehen, ich habe ihn erlebt. Weißt du, wir können Kirchen betreten, und wir können auch beten, was ich nach wie vor ziemlich regelmäßig mache. Ich habe ihn in der Kirche gesehen, wie er das Kreuz ansieht, wie er sich immer noch für unrein hält. Ich werde dir nicht weismachen, dass er ein netter Kerl ist. Immerhin wurde er im verdammten fünfzehnten Jahrhundert geboren, und er hat aus der Zeit einige Angewohnheiten beibehalten. Zum Beispiel wird er nie sonderlich viel für Türken übrig haben, weil er als Junge mal etwas mitgemacht hat, das man als unangenehme Kindheitserfahrung bezeichnen könnte. Und dabei kommt noch gar nicht zum Tragen, wie die Türken die Rumänen behandelt haben, als er noch ein Atmer war. Und auch nicht die Tatsache, dass sein eigener Bruder zum Islam konvertierte und unter Mehmet II. in die Walachei einfiel. Du könntest dich auch damit beschäftigen, was die Bojaren seinem Vater und seinem älteren Bruder angetan haben. Er hat in den letzten sechshundert Jahren viele schlimme Dinge durchmachen müssen, seelisch wie körperlich, und er wird niemals jemand sein, der einem anderen leicht vergeben kann. Aber egal, was er einmal war, er ist jetzt kein Monster mehr. Und ich werde nicht zulassen, dass er wieder eines wird.«
Dvorak zog die Augenbrauen hoch.
»Deshalb kann ich nicht bleiben und mit Dad und Mom reden«, sagte Buchevsky und steckte das Kreuz weg, dann knöpfte er sein Hemd zu. »Vlad braucht mich. Ich habe ihm versprochen, ihn bei Verstand zu wahren, und das werde ich auch tun. Aber ich weiß auch, was wir den Shongairi antun werden, und deshalb muss ich bei ihm sein. Ich glaube, er braucht mich als Beweis dafür, dass er einen anderen Vampir schaffen kann, der kein Monster ist. Vielleicht meint er, wenn es im Universum einen Vampir gibt, der kein Monster ist, dann muss er auch kein Monster sein. Und solange er mich dafür braucht, werde ich für ihn da sein. Das bin ich ihm schuldig. Das ist ihm jeder Mensch schuldig, der die Invasion überlebt hat. Und er verdient es auch.«
Dave Dvoraks Aufmerksamkeit kehrte ins Hier und Jetzt zurück, und er sah in die von Laternen beleuchteten Augen eines weiteren Vampirs.
Nein, sagte er sich. In die Augen eines weiteren guten Mannes , der zufällig auch ein Vampir war. Er war einer von zwei oder drei Dutzend Vampiren – wie viele es genau waren, wusste niemand, und die Vampire selbst äußerten sich nicht dazu –, die als Vlad Drakulyas Stellvertreter zurückgeblieben waren. Nicht, um die Erde in seinem Namen zu beherrschen oder um die Lebenden zu terrorisieren, sondern einfach nur, um da zu sein und Präsenz zu zeigen. Um sicherzustellen, dass bei den Unruhen und Aufständen, die zweifellos den Wiederaufbau der Welt und die Anpassung an die neuen Technologien und Fähigkeiten begleiten würden, die »Atmer«-Monster unter Kontrolle gehalten wurden.
Wenn ich korrupter Herrscher oder ein Warlord wäre, überlegte er, und ich wollte die Gelegenheit nutzen, um aus dieser Krise heraus mein eigenes kleines Imperium aufzubauen, und wenn dann jemand wie Pieter Ushakov als Rauchsäule durch das Schlüsselloch in mein Zuhause eindringt und mir vorschlägt, ich sollte es mir doch lieber noch einmal gut überlegen, ob ich mich nicht ändern wolle, dann würde ich das wahrscheinlich auch tun. Okay, mit Sicherheit kann ich das nicht sagen … aber wahrscheinlich ja.
Der Gedanke ließ ihn leise lachen, dann gab er sich einen Ruck.
Wir müssen uns erst mal an den Gedanken gewöhnen, dass es in der Galaxis noch andere intelligente Spezies gibt. Ich glaube nicht, dass wir die alle sympathisch finden werden. Aber vielleicht müssen wir uns ja an die Tatsache gewöhnen, dass unser schäbiger kleiner Planet die Heimat von gleich zwei intelligenten Spezies ist. Eine, die atmet, und eine, die darauf verzichten kann. Wenn wir die Denkweise der Shongairi und auch die der gesamten Hegemonie vermeiden wollen, dann müssen wir lernen, ernsthaft mit anderen Spezies zusammenzuleben. Vielleicht sollten wir damit gleich hier vor unserer eigenen Haustür anfangen.
»Tja«, sagte er schließlich, »nachdem unser Feuerteufel mittlerweile damit aufgehört hat, sich selbst in Brand zu stecken, sollte ich wohl mal nachsehen, ob die Holzkohle so weit ist.« Er lächelte seine Frau an. »Wie lange ist es her, dass ich zum letzten Mal ein Steak gegrillt habe?
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