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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ich äußerst gerührt über Ihre wunderbare Ungeduld, die Sprache zu erlernen, welche die meine ist. Deshalb erwarte ich Sie wiederum mit der lebhaftesten Freude am Montag, dem sechsten Dezember, um drei Uhr nachmittags.
    Ihre untertänige und ergebene Dienerin
    Ulrike von Lichtenberg.
     
    Nachdem ich das Briefchen leicht errötend gelesen hatte, gab ich es meinem Vater.
    »Der Ton gefällt mir«, sagte er, nachdem er es überflogen hatte. »Er macht den ganzen Unterschied zwischen Größe und Hochmut kenntlich.«
    »Und der wäre?« sagte La Surie.
    »Henri ist groß. Maria ist hochmütig. Henri macht den Abstand, der den anderen ihm gegenüber geziemt, nur denen deutlich, die ihn ungebührlich vergessen. Das hat nichts mit Dünkel zu tun. Gerade seine vollkommene Einfachheit gibt jedem, der sich ihm nähert, das Gefühl seiner Größe.«
    »Wenn Ihr erlaubt, Pierre-Emmanuel«, sagte La Surie, »würde ich gern einen Blick auf dieses Billett werfen.«
    »Bitte sehr.«
    Nun las auch er es.
    »Mir scheint«, sagte er, »daß Frau von Lichtenberg Euch mag.«
    »Woraus seht Ihr das?« fragte ich, während ich abermals rot wurde.
    »Aus dem Satz: Im übrigen bin ich äußerst gerührt über Ihre wunderbare Ungeduld, die Sprache zu erlernen, welche die meine ist.«
    »Und?«
    »Es steckt der Köder einer kleinen Neckerei in der ›wun derbaren Ungeduld‹ und die Andeutung einer kleinen Koketterie in der ›Sprache, welche die meine ist‹.«
    »Kokett?« sagte ich, die Farben meiner Dame hochhaltend, als ritte ich für sie auf den Kampfplatz. »Nein, das ist sie überhaupt nicht! Sie ist sehr ernsthaft. Ich möchte eher sagen, daß ihr Betragen voll ernster Würde ist.«
    Hierauf blickte La Surie lächelnd zu meinem Vater und sagte nichts weiter. Diese Unterhaltung hatte am Sonntag abend nach dem Essen statt, und ich gestehe, daß ich weidlich müde war, sowohl von meiner langen, holprigen Reise als auch von meinem Bericht sowie von den endlosen Fragen, die er ausgelöst hatte.
    »Euch fallen die Augen zu, Herr Sohn«, sagte mein Vater. »Es wird Zeit, wie Henri sagt, daß Euch der Schlummer bettet.«
    Am nächsten Morgen war ich bei meinen Lektionen eher zerstreut, und die Siesta kürzte ich um die Hälfte, indem ich Toinon bat, mir die Haare zu wellen. Damit kam ich bei ihr schlecht an.
    »Um diese Zeit«, sagte sie, während sie sich von meinem Lager mit einem Gesicht erhob, das nichts Gutes ankündigte, »bin ich aber auf Schmusen eingestellt und nicht darauf, das Brenneisen zu schwingen. Findet Ihr es besonders ehrenhaft, Monsieur, den Leuten ihr Behagen und ihren Spaß zu beschneiden, bloß um Euch schön zu machen? Und wozu betreibt Ihr überhaupt solchen Aufwand, den Ihr nicht mal für den König in Saint-Germain-en-Laye gemacht habt?«
    »Das ist meine Sache.«
    »Eure Sache, soso, also hat Euch irgendeine Zierpuppe vom Hof den Kopf verdreht. Was glaubt Ihr denn, was Ihr gewinnt, wenn Ihr vor der den Galan spielt? Von den Ziegen kriegt Ihr doch rein gar nichts. Außer der Ehe läßt Euch so eine höchstens ihre Fingerspitzen lecken! Da habt Ihr aber was von!«
    »Du liegst ganz falsch, Toinon. Es geht um keine Zierpuppe, sondern um eine Dame, die mir Deutschstunden gibt.«
    »Warum kommt sie dann nicht ins Haus, daß man sie näher besehen kann?«
    »Weil es nicht geht. Es ist eine hohe Dame.«
    »Papperlapapp! Eine Dame und Lehrerin! Ihr wollt mich wohl hochnehmen?«
    »Es ist die reine Wahrheit! Und hör jetzt bitte auf mit deinen Fragen, Toinon. Dreh mir die Haare ein und verbrenne mich nicht, im übrigen leg einen Ochsen auf deine Zunge.«
    »Und Ihr«, murmelte sie zwischen den Zähnen, als spreche sie zu sich selbst, aber laut genug, daß ich es hörte, »legt zwei Unzen Verstand in Euern Gehirnkasten!«
    »Höre, Toinon«, sagte ich entrüstet, »willst du erst Ärger und Ohrfeigen, damit du Respekt lernst?«
    »Ach!« sagte sie mit geschwollenem Kamm, »und wer respektiert mich? Ich werd erbarmungslos aus dem Bett geworfen, um einem Undankbaren Locken zu drehen, damit er sich die zweite Hälfte seiner Siesta mit einer anderen gütlich tun kann.«
    »Was faselst du da? Es handelt sich um Unterrichtsstunden, und die Dame ist eine Witwe.«
    »Eine Witwe! Na, gratuliere! Man weiß ja, was da die Elle kostet.«
    »Eine Witwe, die für ihre Tugend bekannt ist.«
    »Was heißt das schon!«
    »Die sogar Kinder hat.«
    »Pfui, Monsieur, auch noch eine Alte! Und wegen so einer Schachtel kürzt Ihr unsere Siesta

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