Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
König, als ob er ohnmächtig würde. Bellegarde faßte seinen Arm, ich sprang an seine andere Seite, und tief erschrocken sah ich, wie sein Gesicht die Farbe verlor und weiß wurde. »Sire! Sire!« sagte Bellegarde. »Es ist nichts«, sagte der König mit tonloser Stimme.
NEUNTES KAPITEL
»Ich mag das Frauenzimmer nicht«, sagte mein Vater, als ich ihm meine Erlebnisse berichtete. »Sie ist derart berauscht von ihrer Schönheit, daß sie kein Halten kennt und ihre Angeln überall auswirft. Sie führt den Konnetabel an der Nase herum. Die Herzogin von Angoulême muß nach ihrer Pfeife tanzen, und kaum ist ihr Bassompierre ins Netz gegangen, greift sie noch höher.«
»Was ist die Herzogin von Angoulême für sie?« fragte La Surie, der als nicht adlig Geborener nicht von Kindesbeinen an mit den schwierigen Verwandtschaftsbeziehungen der Großen gefüttert worden war.
»Ihre Tante. Sie ist die Witwe des Herzogs von Montmorency, des ältesten Bruders vom Konnetabel. Als Charlotte die Mutter verlor, trat ihre Tante an deren Stelle.«
»Und was ist die Herzogin für eine Frau?«
»Sie hat gute Manieren, aber das ist es denn auch. In allem übrigen weiß sie so wenig wie der Konnetabel, der völlig unwissend ist. Und wie der Konnetabel betet sie den König auf Knien an und würde nie etwas tun, was ihm zuwiderliefe.«
»Vielleicht ist es ja nur eine Verliebtheit«, sagte La Surie, »die wie alle anderen vergeht.«
»Ich fürchte, nicht«, sagte mein Vater mit einem Seufzer. Und nachdem er sich, wie mir schien, auf sich selbst und seine wachsende Zuneigung zu unserer kleinen Seidennäherin besonnen hatte, fuhr er fort: »Vergiß nicht, Miroul, wie alt das Mädchen ist, und wie alt der König. Und so nahe, wie er sich dem Tode wähnt, wirft er seine letzten Reserven ins Treffen. Das sind Zunder und Feuerstein zu einer rasenden Liebe. Und wenn einer solchen Leidenschaft eine große Lebensgier und die königliche Allmacht zu Hilfe kommen, stehen tausend Torheiten zu befürchten ...«
Am Tag darauf – es war der 17. Januar und ein Mittwoch – brachte ein Page mir frühmorgens ein Wort Seiner Majestät,das mich ebenso überraschte, wie es mich bestürzte, denn er befahl mich in den Louvre (obwohl er mich tags zuvor erst gesehen hatte), und das hieß, ich mußte wieder meine Deutschstunde versäumen. Noch bevor ich mich ankleidete, setzte ich mich an mein Schreibpult und schrieb Frau von Lichtenberg einen Brief, an dessen Wortlaut ich mich nicht mehr entsinne, der jedoch so voller Liebe und Traurigkeit war, daß ich, kaum hatte ich ihn dem Laufburschen übergeben, in Schrecken geriet bei dem Gedanken, die Gräfin könnte mir zur Strafe für meine unverhohlenen Worte ihre Tür auf immer verschließen.
Man muß schon sehr jung sein, um zu befürchten, daß eine Frau sich durch eine so tiefe Verehrung gekränkt fühlen könnte! Außerstande jedoch, mir vorzustellen, in welchem Maße ich in ihrer Zuneigung bereits gestiegen war, zitterte ich davor, mir den köstlichen Umgang mit ihr durch meine Kühnheit verdorben zu haben – den sie, wie ich in der Folge feststellte, ja gerade durch tausend kleine Listen ermutigte, welche die Frauen zu Hilfe nehmen, um uns die Initiative in die Hände zu legen, welche die Sitten ihnen verbieten. Aber ich war zu unerfahren, und ich liebte sie zu sehr, um dafür nicht blind zu sein.
Ich fand den Louvre in heller Aufregung, weil der König das Bett hüten mußte, da ihn seit zwei Uhr morgens ein schwerer Gichtanfall in der rechten großen Zehe plagte, unter dem er grausam litt.
»Ah! Mein kleiner Cousin«, sagte er, als ich an seinem Bett niederkniete, um ihm die Hand zu küssen, »ich freue mich, Euch zu sehen! Setzt Euch auf den Schemel hier zu meiner Rechten. Ich leide tödliche Schmerzen. Wenn das die Strafe für meine Sünden hienieden ist, wie soll es dann erst im Jenseits werden? Es ist, als ob ein Dämon mir die Zehe bald mit seiner eisernen Klaue zermalmt und bald mit siedendem Öl begießt. Ich ertrage nicht einmal das Bettuch, so drückt es auf meinen Fuß! Die letzte Nacht habe ich kaum schlafen können, und mir ist Angst vor der Nacht, die kommt. Allewetter, kleiner Cousin, versucht ja nicht, alt zu werden. Ihr seht, wie es mit mir steht. Ich leide so bitterlich, daß es sogar mein Denken stört, und wenn ich so weitermache, bin ich bald ein Tattergreis, den keine Frau mehr will.«
»Ganz im Gegenteil, Sire!« entgegnete ich lebhaft. »DieGicht gilt seit der Antike als ein
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