Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
erregtes Getuschel hervor, das sich jedoch sehr schnell legte. Henri, wenn auch scheinbar tief bewegt, stellte nun jene rasche Entscheidungsfähigkeit unter Beweis, welche ihm auf anderem Gebiet den Ruf eines großen Befehlshabers eingetragen hatte.
»Meine liebe Cousine, ich bin Euer Diener«, sagte er zu der Herzogin, indem er ihr auf der rechten Seite des Bettes seine Hand zum Kuß hinstreckte. »Siorac«, fuhr er, an mich gewandt, fort, »gebt Euren Schemel meiner teuren Cousine von Angoulême, und Ihr, liebste Freundin«, setzte er zu Charlotte hinzu, »wollt Euch hier in der Bettgasse zu mir setzen, wo ich Euch zu unterhalten wünsche.«
Nachdem er ebenso geschwind wie geschickt das junge Mädchen von seiner Dueña getrennt und die ganze Breite seines Bettes zwischen sie gebracht hatte, bat er Mademoiselle de Montmorency, nahe bei seinem Kopfende Platz zu nehmen, und indem er sich soweit zu ihr beugte, daß er ihr Gesicht fast berührte, begann er leise mit ihr zu plaudern. Nun verbreitete sich ein unerhörtes Schweigen unter den Zeugen dieser Begegnung, da ein jeder, wie Pissebœuf gesagt hätte, das Ohr »zwei Daumen vom Kopf weg« spannte. Ich hatte mit der Herzogin von Angoulême wahrlich von allen den besten Platz inne. Zu ihrem Unglück aber hörte die Herzogin nicht mehr gut, und wiewohl sie ohne jede Scham ihre Hand wie ein Höhrrohr ans Ohr legte, bezweifle ich stark, daß sie auch nur ein Wort von dem verstand, was der König und seine schönste Untertanin miteinander sprachen.
Schön war sie in der Tat, und sie war es entschieden mehr als all jene, die in diesem Königreich Anspruch auf dieses Wort erheben konnten, mehr noch, sie war strahlend jung, das Auge groß, die Nase aufs feinste geformt, der Mund klein, aber vollkommen gezeichnet, die Wangen rund, wie es ihrem Alter entsprach, die Haut zart und licht, rund und lieblich der Hals, den ein großer, im Nacken aufgestellter Spitzenkragen umrahmte.
Gleichwohl bemerkte ich, daß trotz all ihrer Jugend die Kunst der Natur doch einiges hinzufügte. Denn sie trug eine derzeit höchst originelle Frisur, die mich an jene der Gräfin erinnerte: ihre Haare waren hochgenommen und ohne jegliche Löckchen hinter ihrer schönen Stirn gerafft, gekrönt nur durch ein schlichtes Schleifenband, so daß sie die weiß und rosigen Ohren freilegten wie kleine Muscheln. Die Brauen waren mit der größten Sorgfalt gezupft, so daß sie nur eine feine, schwarze Bogenlinie bildeten, welche die azurblauen Mandelaugen besonders in Geltung setzte und groß und leuchtendmachte. Sie trug ein mattblaues Schnürmieder und einen ebensolchen Rock aus kostbarem, aber sparsam gemusterten Satin und dazu einen einzigen, aber sehr jungfräulichen Schmuck: eine einreihige Perlenkette, die man als schlicht ansehen konnte, hätten der Schimmer und die Größe der Perlen den Beobachter auf den zweiten Blick nicht eines Besseren belehrt.
So bescheiden die Haltung, die niedergeschlagenen Lider, die Verwirrung, das kleine Erröten dann und wann auch anmuteten, so daß man glauben mochte, die Butter schmölze dieser Unschuld nicht im Munde, fuhren doch von Zeit zu Zeit seltsame Blitze durch ihre Augäpfel, die ihnen plötzlich einen metallischen Glanz verliehen.
Kaum daß sie mit der jungfräulichsten Scheu auf ihrem Schemel in der Gasse Platz genommen hatte, machte sie dem König ein höchst wohlgedrechseltes Kompliment, aber so, als wäre es der Unbefangenheit ihres Alters entsprungen. Sie sagte, die großen Sorgen, die sein Gichtanfall ihnen, ihrer Tante und besonders ihr bereitet hätten (letzteres, indem Wimpern und Stimme gesenkt wurden), hätten ihr den Wunsch eingeflößt, ihn zu besuchen. Nun endlich sehe sie aber beruhigt, daß er einen besseren Eindruck mache als erwartet, und sie hege für seine Genesung die glühendsten Wünsche und schicke dafür die lebhaftesten Gebete zum Himmel.
Tatsächlich war an diesen Reden nichts auszusetzen, sie waren reinste Konvention, und hätte die Herzogin von Angoulême etwas verstanden, hätte auch sie nichts daran beanstanden können. Die Art jedoch, in der sie vorgebracht wurden, die Blicke, die niedergeschlagenen Augen, das kleine Stocken, das Seufzen, das scheue Lächeln hier und da gaben ihnen einen ganz anderen Sinn als den buchstäblichen. Und obwohl ich fand, daß die Schnur dick und der Haken nicht zu übersehen war, biß der König im Nu an – vielleicht, weil er ja nichts so sehr wünschte, wie quasi freiwillig auf die
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