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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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er das Geld nie wiedersähe, »Ihr zahlt Euren Ärzten schon eine Pension.«
    »Aber die Medizin ist nicht inbegriffen«, sagten beide Ärzte wie aus einem Munde und nicht ohne Vehemenz.
    »Herr Oberkämmerer«, sagte Henri in spöttischem Ton, »rufe ich Eure Geldkatze vergebens an?«
    Roquelaure fühlte die Spitze hinter dem Spott und verneigte sich, doch wich er nur Schritt für Schritt. »Sire«, meinte er, »leider habe ich nur dreißig Ecus bei mir.«
    »Dann borg dir zwanzig von Bellegarde. Der hat es. Gestern hat er mir beim Würfelspiel fünfhundert Livres abgeknöpft.«
    Hierauf lachte Bellegarde, denn er war ebenso freigebig, wie Roquelaure und der König geizig waren.
    »Hier sind sie«, sagte er sogleich.
    Nachdem die Ärzte ihr Geld empfangen hatten, fragte der König: »Soll ich die Pille schlucken oder lutschen?«
    »Schlucken, Sire«, sagte der Dicke.
    »Und dann kann ich schlafen?«
    »Gewiß, Sire, dafür bürgen wir.«
    »Warum?«
    Auf diese unverhoffte Frage blickten sich die Ärzte an, und der Dicke, der wieder das Wort ergriff, sagte in belehrendem Ton: »Das Opium gibt Schlaf, Sire, weil es eine einschläfernde Wirkung hat.«
    »Nun bin ich aufgeklärt!« sagte der König.
    Er schluckte die Pille, trank einen Becher Wasser dazu und verabschiedete die Ärzte mit Dank.
    »Allewetter!« sagte er, »fünfzig Ecus für einen Nachtschlaf, das ist gewaltig! Ich sollte mich besser an den jüdischen Arzt wenden, der Leonora Galigai behandelt. Wie heißt er gleich?«
    »Montalto«, sagte Bellegarde.
    »Wer weiß, ob Montalto nicht preiswerter gewesen wäre als diese guten Christen?«
    Hierauf bat er mich, in der Lektüre fortzufahren, was ich mit der gleichen Lebendigkeit tat, die ich bereits bewiesen hatte, doch beobachtete ich nach einer Weile, daß seine Züge sich lösten und er die Augen schloß. Ich sah zu Bellegarde hin, und er machte mir ein Zeichen, aufzuhören.
    »Sire«, sagte Bellegarde, »schlaft Ihr?«
    »Der Schmerz«, sagte der König, indem er die Augen aufschlug, »läßt nach. Und mir ist, als ob ich bald einschlafen werde. Mein kleiner Cousin«, fuhr er fort, »hast du im Louvre ein Nachtlager gefunden?«
    »Ja, Sire.«
    »Gut, Siorac! Möge dein Schlummer dich betten. Und sei morgen pünktlich um acht Uhr hier.«
    ***
    Damals wußte ich noch nicht, daß es eine besondere Gnade war, und sei es nur einmal, im Louvre zu übernachten, und eine außergewöhnliche Gunst, dort in einem Bett zu übernachten. Diese Gunst verdankte ich Doktor Héroard, und da ich nicht gleich schlafen konnte, unterhielt er mich überdies imDunkeln und sprach von Bett zu Bett über den einzigen Gegenstand seiner Fürsorge, Liebe und Ergebenheit: den Dauphin Louis. Und da seine Worte mich sehr bewegten, zeichne ich sie hier
verbatim
auf, ohne ein Jota zu ändern.
    »Das Verhältnis des Dauphins und des Königs ist heute so zärtlich und idyllisch, daß man kaum glauben mag, es sei nicht immer so gewesen. Jedoch erinnere ich mich einer sehr quälenden Szene zu Fontainebleau, Louis war drei Jahre alt. Er hatte versprochen, dem König adieu zu sagen, bevor dieser auf die Jagd ginge, doch als er sich in der Garderobe die Stiefel anziehen wollte, entdeckte er seine kleine Trommel, vergaß seine Absicht und fing an zu spielen. Man meldete es dem König. »Seine Trommel ist ihm wichtiger als ich!« sagte der König so enttäuscht, als hätte ihn eine Geliebte versetzt. Und er befahl, das Kind zu bringen, ob mit Güte oder Gewalt.
    Einige Minuten darauf trat Louis hinter seiner Gouvernante, Madame de Montglat, in den Saal, den Hut auf dem Kopf, in festem Schritt und trommelnd. Aber beim Anblick seines Vaters, der stirnrunzelnd auf ihn zukam, hielt er jäh inne, als verschlage es ihm die Sprache.
    ›Nehmt Euren Hut ab, Monsieur‹, sagte der König.
    Ich bin gewiß, der Dauphin hätte gehorcht, wären nicht die Trommelstäbe in seinen Händen gewesen. Sicherlich hätte er sie freimachen können, indem er die Stäbe in die Futterale steckte, die an seinem Degengehänge angebracht waren. Aber darauf kam er nicht, so sehr erschreckten ihn der strenge Blick und der schroffe Ton seines Vaters. Und so blieb er wie erstarrt stehen, die Stäbe in der Luft, ohne zu spielen, aber auch ohne zu gehorchen, und Röte stieg ihm ins Gesicht.
    Der König hätte seinen Befehl wiederholen können, doch seine Geduld war kurz, die Weigerung seines Sohnes hatte ihn gereizt. Er streckte die Hand aus und nahm den Gegenstand des Anstoßes

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