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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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fort. ›Mein Hut! Mein Hut! Ich will meinen Hut!‹ schrie der Dauphin wütend.
    Gewohnt, daß man ihm augenblicklich gehorche, war der König überrascht, daß sein Sohn nicht sofort Reue zeigte. Er erbleichte vor Zorn und nahm ihm kurzerhand die Trommel und die Stäbe weg, welche er außer seiner Reichweite auf einen Tisch legte. Das war das Schlimmste. Louis begann zu heulen: ›Mein Hut! Meine Tommel! Meine Stäbe!‹
    Um ihn zu ärgern und auf eine meines Erachtens etwas kindische Weise, setzte der König sich den kleinen Hut selbst auf. Und als die Schreie nun lauter wurden, faßte er den Schopf seines Sohnes und gab ihm einen Schlag auf den Kopf. Nicht daß der Schlag so heftig gewesen wäre, aber er demütigte den Dauphin, der vor Raserei fast zersprang. Es war eine richtige kleine Tragödie, dieses Gegenüber von Vater und Sohn, der eine bleich, der andere rot. Am Ende kannte der König sich selbst nicht mehr. Er packte Louis bei den Handgelenken und hob ihn in die Luft, indem er seine Ärmchen zum Kreuz breitete.
    ›Ihr tut mir weh!‹ schrie Louis.
    Die Königin, die auch zugegen war, sagte keinen Ton. Nur das Gebrüll schien sie zu stören. Ich selbst war erschüttert. ›Sire! Sire!‹ sagte ich atemlos. Der König warf mir einen wütenden Blick zu, setzte aber Louis ziemlich sanft zu Boden, dann wirbelte er herum und entfernte sich, die Hände auf dem Rücken ineinander verkrampft. Die Königin gab Louis seine Trommel und seine Stäbe wieder, mir schien jedoch, nicht aus Mitleid, sondern damit er still würde. Aber es nützte nichts. Louis schrie und weinte. Er konnte nicht aufhören.
    Da der König keinen Befehl gab, hob ihn Madame de Montglat schließlich auf und trug ihn davon. Louis brachte sich fast um, so schrie er, denn er hatte eine Schwelle des Zornes und der Angst erreicht, von der er nicht zurückfand. Wie man mir sagte, schrie er Minuten später, nachdem er von Madame de Montglat in seinem Zimmer gepeitscht worden war: ›Ich töte Mamanga! Ich töte alle! Ich töte Gott!‹«
    »Aber«, warf ich ein, »er hat nicht gesagt: Ich töte Papa!«
    »Der Ärmste hat es indirekt gesagt, Henri war sein Gott.«
    »Und der König?«
    »Der König war, wie gesagt, tiefbleich, denn Blässe – eine Todesblässe und schrecklich anzusehen – war die gewöhnliche Wirkung seiner Erregungen, und Gott weiß, wie heftig diese bei ihm waren! »Madame«, sagte er mit erloschener Stimme, indem er der Königin einen knappen Gruß erwies, »ich bin Euer Diener. Meine Jagd wartet.« Und er ging mit langen Schritten zur Tür, doch da er mich dort an die Wand gepreßt sah, so sehr hatte ich mich unsichtbar machen wollen, warf er mir einen so unglücklichen Blick zu, daß sich mir das Herz zusammenzog.
    Ich sah den König am Abend, aber ohne ihn zu sprechen, noch mich ihm zu nähern. Er wirkte traurig und wortkarg. Und Vitry sagte mir, er habe auf der ganzen Jagd nur den Mund aufgemacht, um zu sagen, ›man werde ihn nach seinem Tode vermissen.‹ Eine Rede, wie er sie in seinen schwarzen Launen auszustoßen pflegte. Ich schloß daraus, daß er seine Härte bereute und fürchtete, die Liebe seines Sohnes verloren zu haben: was mir einen Monat darauf bestätigt wurde, und seltsamerweise am dreiundzwanzigsten November im Schloß Saint-Germain-en-Laye, fast auf den Tag genau nach jener Szene zu Fontainebleau.
    Der Tag hatte sehr übel angefangen. Der Dauphin war um sieben Uhr erwacht. Ich sagte ihm, heute komme der König von Paris, um ihn zu besuchen und fragte: ›Monsieur, wollt Ihr nicht aufstehen und Papa entgegengehen?‹
    ›Nein‹, sagte Louis mit verschlossenem Gesicht. Er hatte die harte Behandlung zu Fontainebleau nicht vergessen.
    ›Dann bekommt Ihr aber die schöne Trommel und die schönen Stäbe nicht, die er Euch mitbringt. Dann schenkt er sie Monsieur de Verneuil 1 .‹
    Plötzlich wechselte Louis vom stillen zum offenen Zorn, knirschte mit den Zähnen, riß die Augen auf, blickte mich kalt an und versuchte, indem er die Hand vorstreckte, mich zu kratzen.
    ›Soso, Monsieur, Ihr wollt mir weh tun! Aber was soll Papa mit der Trommel machen?‹
    ›Soll e sie doch Monsie de Veneuil geben!‹ sagte der Dauphin zornig.
    Gleichwohl erhielt Louis um Punkt elf Uhr, nachdem er zu Mittag gegessen hatte, die Erlaubnis, sich im Garten zu ergehen, denn das Wetter war für den November milde und sonnig. Als er zu der unteren Fontäne kam, wo er gerne mit dem Wasser spielte, sah er den König zu Pferde. Er war

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