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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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habe ich sie viermal geküßt, zweimal auf jede Wange.«
    »Monsieur«, sagte Monsieur de Souvré, »wenn man verliebt ist, sagt man nicht, in wen.«
    »Warum?«
    »Um seine Geliebte nicht zu kompromittieren.«
    »Monsieur, verzeiht«, sagte nun Doktor Héroard zum Dauphin, »haltet den Herrn Chevalier nicht fest: der König erwartet ihn.«
    Da entließ mich Louis. Obwohl ihm die gute Luft und die Gärten von Saint-Germain-en-Laye gewiß sehr fehlten, erschien er mir ruhiger und glücklicher, seit er im Louvre an der Seite seines Vaters lebte.
     
    Als der Türsteher leise die Tür öffnete und mich einließ, lag das königliche Gemach noch in tiefem Dunkel. Die Gardinen und Bettvorhänge waren noch geschlossen, ich konnte den König nicht sehen, aber als ich lauschte, hörte ich seine Atemzüge, das einzige Geräusch im Raum, außer einem Blasebalg, den ein Diener vorsichtig in Gang setzte, um das Feuer anzufachen. Als meine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, sah ich an der Tür stumm wie Standbilder Grammont, Roquelaure, Bellegarde und Vitry stehen. Wir begrüßten uns schweigend. Kein Reifrock in Sicht. Es war noch zu früh, als daß sich Damen zum Krankenbesuch eingefunden hätten. Vermutlich kuschelten sie sich bei dieser Kälte noch in ihren Betten oder verlangten allenfalls von ihrer Zofe einen Spiegel, um sich zu vergewissern, daß sie seit dem Abend von ihrer Schönheit nichts eingebüßt hatten.
    Niemand gab einen Laut von sich, es verrannen zehn Minuten, ohne daß man andere als die besagten Geräusche vernahm. Dann gab es hinter dem Baldachin eine Bewegung, und man hörte den König fluchen.
    »Sire«, sagte Vitry, indem er vortrat und eine tiefe Verbeugung machte, die der König allerdings nicht sehen konnte, »seid Ihr wach?«
    »Ja, ich bin wach«, sagte der König, »die Schmerzen auch ... Könnte ich mir den vermaledeiten Fuß doch abhauen lassen! Aber wie käme ich dann in die Steigbügel? Vitry, bist du es?«
    »Ja, Sire.«
    »Laß die Vorhänge und Gardinen aufziehen. Es ist ja finster hier, als wär ich schon in der Hölle.«
    Auf ein Zeichen Vitrys ließ der Diener den Tag herein, und wir konnten Henri betrachten. Er sah besser aus als am Vortag, gut ausgeruht, aber unwillkürliche Zuckungen in seinem Gesicht verrieten, daß er noch genauso litt.
    »Ist Bassompierre da?« fragte er, indem er gegen das Licht mit den Augen zwinkerte.
    »Nein, Sire.«
    »Was sagt die Uhr?«
    »Fünf Minuten nach acht, Sire.«
    »Dann kommt er zu spät«, sagte der König unwirsch.
    Mir schien, seine Ungeduld, Bassompierre zu sehen, verhieß für den Comte nichts Gutes, und ich denke, dieses Gefühl teilten auch die anderen, denn keiner sagte ein Wort. Henri selbst hatte die Pünktlichkeit nicht erfunden, und da er dies wußte, hätte er seinen Edelleuten eine Verspätung um fünf Minuten für gewöhnlich nicht verübelt.
    Man brachte ihm eine Schüssel warmes Wasser. Schnell erfrischte er sich Hände und Gesicht. Und während er sich abtrocknete, fiel sein Auge auf mich.
    »Euer Diener, Siorac!« sagte er, und mir schien, daß er sich ein wenig zwang, seine übliche Munterkeit zu zeigen. Er winkte mich heran, reichte mir seine Hand zum Kuß und setzte hinzu: »Lies den Roman da weiter, wo du aufgehört hast. Wer weiß, vielleicht vertreibt mir das diese unerträglichen Stiche ein bißchen.«
    L’Astrée
wartete auf meinem Schemel, ich ergriff das Buch, setzte mich und begann zu lesen. Obwohl ich es mit der gleichen Lebhaftigkeit tat wie zuvor, konnte ich nicht umhin, durch einen Seitenblick festzustellen, daß der König mir kaum zuhörte, sondern immerfort nach der Tür sah.
    Endlich ging sie auf, und Bassompierre trat herein, herrlich elegant von Kopf bis Fuß und rot vom Lauf durch die Korridore des Schlosses. Ich hörte sofort auf zu lesen.
    »Ah, Bassompierre!« sagte der König stirnrunzelnd, aber mehr erleichtert als gereizt, »da bist du endlich! Du kommst zu spät!«
    »Sire«, sagte Bassompierre, indem er ihm mit seinemschwingenden Federhut eine wunderschöne, tiefe Begrüßung erwies, »ich bin untröstlich. Meine Karosse steckte in einem fürchterlichen Wirrwarr von Wagen fest. Eure Hauptstadt, Sire, ist so verstopft wie keine andere auf der Welt.«
    Alles ganz vornehme Art, ganz kavaliermäßig. Die Verbeugung war tief, die Miene reuig und die Schmeichelei fein, aber mit dem Hauch einer selbstverständlichen Vertraulichkeit.
    »Bassompierre, komm hierher, mir zu Häupten, hier in die

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