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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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übergab ihr den Brief, welchen sie mit genüßlicher Miene in ihr Schnürmieder steckte, sie nahm ohne weiteres die Ecus, die ich in ihre Hand gleiten ließ, und machte mir schöne Augen. Aber ich war ja nicht da, um ihr süße Worte zu sagen, und kam zu meinen Fragen. Sie geizte nicht mit Auskünften über ihre Herrin, und ich barg sie in meinem Gedächtnis, um den König damit zu ergötzen.
    Schließlich kam sie zum Kapitel der Hoffnungen. Ihre schöne Herrin denke, meinte sie, daß ihr Peiniger bald die Segel streichen und mit ihr nach Fontainebleau kommen werde, weil er keinen blanken Sou mehr besitze, denn auf Befehl des Königs zahlte ihm Sully seine Pensionen nicht mehr, und die jüdischen Wucherer, die weiß Gott wie erfahren hatten, daß jene Quelle versiegt war, wollten ihm nichts mehr leihen.
    Außer lebhaften Augen, einer kleinen Stupsnase und einem hübschen Busen hatte Philippote einen gewandten Schnabel, und sie hätte noch länger geschwatzt, wenn mein Vater mir nicht die Hand auf die Schulter gelegt hätte, denn aus dem Beichtstuhl ließ sich Stöhnen und Seufzen vernehmen, ein Zeichen, daß unser Erschlagener zu sich kam.
    »Gott sei Dank«, sagte mein Vater, als wir das Kirchenportalheiteren Schrittes verließen, »Condés Mann hat Euch genau gesehen, mein Sohn: damit seid Ihr aus dem Spiel und fürderhin solcher Missionen ledig. Sein Leben aufs Spiel zu setzen, weil man dem König in großen Dingen und zum Wohle des Reiches dient, das ziemt einem Edelmann, aber sich zum Handlanger seines Vergnügens zu machen, ist Eures mütterlichen Blutes wie des meinen unwürdig.«
    ***
    Henri war außer sich vor Freude, als ich ihm von der Hoffnung der Prinzessin berichtete, daß sie sich bald am Hofe zu Fontainebleau einfinden werde und daß ihr Peiniger im Begriff stehe, sich zu beugen. Er war so über die Maßen froh, daß es aussah, als hätte er sich im Augenblick verjüngt. Er klopfte mir kräftig auf die Schulter und begann in dem Raum zu kurven und zu wenden, ohne recht zu wissen, was er tat. Das Glück strahlte aus seinen Zügen und aus jeder seiner Gebärden mit der Natürlichkeit und Naivität eines Kindes, dem man ein Spielzeug bringt, das es sich lange erträumt hat. Ich hatte Mühe zu glauben, daß ich den größten Monarchen und gewiß einen der stärksten Köpfe der Christenheit vor mir hatte.
    Nachdem sein Glücksrausch sich ein wenig gelegt hatte, faßte er meine Hände, lenkte mich zu einem Schemel vor einem Lehnstuhl, auf dem er selbst Platz nahm, und drängte mich, ihm alles bis ins einzelne zu erzählen – vornehmlich, ohne etwas auszulassen, was Philippote mir von der Prinzessin gesagt hatte. Ich berichtete ihm Wort für Wort, da ich ja Zeit gehabt hatte, mir alles gut einzuprägen, und um die Sache lebendiger zu machen, nützte ich meine komödiantischen Gaben, um Philippotes Intonationen und Ausdrücke noch getreulicher wiederzugeben. Es entzückte ihn. Denn indem ich aufs trefflichste die Sprache der Zofe nachahmte, hatte er den Eindruck, ihrer Herrin nahe zu sein. Und kaum hatte ich meinen Vortrag beendet, ließ er mich alles noch zweimal wiederholen unter dem Vorwand, daß er dies oder jenes nicht genau verstanden hätte.
    Als er hieraus alles Vergnügen geschöpft hatte, das darinnen war, erhob er sich und drehte und wirbelte erneut durch den Raum, aber schweigend und mit nachdenklicherer Miene, alsbesänne er sich auf sich selbst. Einmal hielt er vor einem venezianischen Spiegel inne, der an der Wand hing, und betrachtete sich voller Aufmerksamkeit, was er für mein Gefühl wohl nicht oft tat, so vernachlässigt war er in seinem Äußeren.
    »Mein Bart ist grau«, sagte er und setzte süßsauer hinzu: »Der Wind meiner Widrigkeiten ist darüber hingegangen. Siorac«, fuhr er nach erneutem Schweigen fort, »meinst du, ich sollte ihn mir färben lassen?«
    »Ich weiß nicht, Sire«, sagte ich sehr vorsichtig. »Aber vielleicht könntet Ihr ihn sorglicher scheren lassen?«
    »Und dieses Wams?« sagte er. »Was deucht dich davon?«
    »Nicht allzu neu, Sire. Und es hat Schweißflecke unter den Achseln.«
    »Das ist, meiner Treu, wahr!« sagte er ganz erstaunt, indem er den rechten Arm vor dem Spiegel hob. »Die Königin sagt, ich sei der am schlechtesten gekleidete Edelmann des Hofes. Was meinst du?«
    »Außer bei großen Anlässen, Sire. Ihr seht wunderbar aus in Eurem weißen Satinwams.«
    Er lachte.
    »Was heißen will, daß ich im Alltag nicht sehr ansehbar bin! Siorac, du bist

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