Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
erschlagen und sein Laden von Aufgeputschten geplündert worden war, ohne daß man auch nur eine Handvoll Mehl finden konnte.
»Aber was können wir dagegen tun?« sagte ich nach einer Weile.
»Wir sicher nichts«, sagte Toinon, »aber Ihr vielleicht, Herr Chevalier.«
»Ich, Toinon?« fragte ich verblüfft.
»Wie ich hörte, Herr Chevalier, habt Ihr das Vorrecht, den König zu sehen, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sprechen, weil Ihr ihm vorlest und er Euch liebt und Euch ›kleiner Cousin‹ nennt.«
»Wo hast du denn das her, Toinon?« fragte ich, starr vor Staunen.
»Die Frau Herzogin von Guise hat es vor Mariette gesagt, und stolz, wie die auf Euch ist, hat sie es mir erzählt.«
Soso. Mariette und ihre vermaledeite Zunge! Aber was sollte man auch von Madame de Guise denken, daß sie sich so unklug in Hörweite unserer Leute mit der Gunst ihres Patensohnes brüstete?
»Aber, Toinon«, sagte ich, »glaubst du, ich würde mich getrauen, dem König ins Gesicht zu sagen, daß sein Münzedikt schlecht ist? Es wäre sehr unverschämt! Und er würde mich einfach auslachen.«
»Kommt drauf an, Herr Chevalier, wie Ihr es ihm beibringt. Wenn Ihr ihm sagt, daß der Pariser Handel tief erschrocken ist und seinen Ruin befürchtet – der König ist doch nicht unbarmherzig,vielleicht rührt es ihn. Bitte, Herr Chevalier, sagt ihm ein Wort!«
»Ich denke daran«, sagte ich, indem ich aufstand, »aber zuerst frage ich meinen Vater. Wenn er nichts dagegen hat, dann tue ich es.«
Sie bedankte sich sehr und machte mir einen schönen Knicks, aber, die Klinke schon in der Hand, wandte sie sich um und fragte leise, als wollte sie ihre Worte auch gleich wieder löschen: »Ich höre, Monsieur, daß Ihr eine neue Soubrette habt ...«
»Ja«, sagte ich im selben Ton.
»Und? Seid Ihr zufrieden, Monsieur?« fragte sie nach einem kleinen Schweigen.
»Ich bin es, trotzdem habe ich dich nicht vergessen, wenn du das wissen willst.«
»Ich danke Euch, daß Ihr mir das gesagt habt«, erwiderte sie sehr ernst. Und sie ging.
Sobald mein Vater daheim war, berichtete ich ihm dieses Gespräch, und sein klares Gesicht verdüsterte sich.
»Toinon hat völlig recht«, sagte er. »Dieses Edikt über die Münzen will im Reich niemand. Es ist ungerecht, schädlich, bedrückt das Volk und ruiniert uns alle.«
»Auch Eure Truhen, Herr Vater?«
»Wenn es nur das wäre! Aber die Gelder, die ich meinem ehrenwerten Juden anvertraut habe, damit sie wuchern, nehmen ebenso ab. Und auch meine Mietzinse in der Stadt und meine Pachtgelder auf dem Land. Zum Glück habe ich davon nicht so viele, weil ich das meiste Land mit meinen Leuten selbst bebaue. Es kann auch sein, wenn der Krieg kommt, daß mein Getreide dann teurer wird und einen Ausgleich erbringt, aber der wäre klein und sehr ungewiß angesichts der Schwierigkeiten und Gefahren, das Korn zu transportieren.«
»Und der liebe Onkel La Surie?« fragte ich.
»Der liebe Onkel La Surie«, sagte La Surie, der soeben eintrat, »wird derselben Schröpfkur unterliegen, nur auf niedrigerer Ebene. Trotzdem müßt Ihr nicht erschrecken, mein Neffe, noch sitzen wir nicht so auf dem Trockenen, daß wir bei unseren Nachbarn Scheite angeln müßten.«
Die kleine Anspielung auf unsere kleine Seidennäherin gefiel meinem Vater wenig, und da er die Brauen runzelte, wechselte ich das Thema.
»Herr Vater«, sagte ich, »was meint Ihr: sollte ich den König ansprechen, wie Toinon es von mir erwartet?«
Die Frage war gut gestellt, denn er lachte.
»So schlau Toinon ist«, sagte er, »und so gewieft als Händlerin, ist es doch recht naiv von ihr, zu glauben, Euer Wort könnte irgend etwas ändern. Zumal es schon gesagt worden ist! Und von einem, der auf Grund seines Alters, seines Charakters und seiner Dienste ein unendlich größeres Gewicht besitzt.«
»Und von wem?« fragte La Surie.
»Von dem Marschall d’Ornano.«
»Ah, ich weiß!« sagte ich, »Ihr zeigtet ihn mir auf der Hochzeit des Herzogs von Vendôme. Es ist doch jener weißhaarige Edelmann mit den pechschwarzen Brauen und der dunklen Haut, so daß man ihn für einen Mauren halten könnte?«
»D’Ornano ist Korse, einen tapfereren und treueren Soldaten findet Ihr nicht. Er hat Henri II., Charles IX., Henri III. und unserem Henri gedient und mit einer diamantenen Loyalität, und er als einziger am Hofe hat es gewagt, freimütig zum König zu sprechen und ihm vorzustellen, daß das Volk an diesen Edikten, die man ihm aufzwingt, schwer trägt
Weitere Kostenlose Bücher