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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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seine Kommissare die Büchse herausrücken und erstattete mir das Bußgeld zurück.«
    »Ich freue mich sehr für dich, Toinon«, sagte ich mit fester Stimme, »und ich werde meinem Vater deinen Dank übermitteln.«
    Aber weil ich fand, daß dies vielleicht zu kühl gesagt war, setzte ich freundlicher hinzu: »Nun bist du also glücklich, hoffe ich?«
    »Ach, Herr Chevalier«, sagte sie und schüttelte ihren hübschen Kopf, »wenn unsere Börse sich einerseits füllt, leert sie sich anderseits. Es ist genau die Geschichte von dem Faß, die Ihr mir einmal erzählt habt, als ich noch hier lebte.«
    Bei diesem »hier« schienen mir ihre Wimpern ungewollt zu flattern, aber es ging so schnell, daß ich nachher bezweifelte, es wirklich gesehen zu haben.
    »Herr Chevalier«, fuhr sie fort, »Ihr habt doch sicher von all den Edikten gehört, mit denen der König uns derzeit belegt, die schon schlecht an sich sind und noch schlechter durch die Ausführung, denn um sein Geld schnell hereinzukriegen, überläßt der König diese den Finanzpächtern, die uns dann rupfen wie Geflügel. Aber das Schlimmste, Herr Chevalier, das Schlimmste ist, daß der König sich darauf versteift, die Münzen des Reiches zu verschreien ...«
    »Verschreien?« fragte ich stirnrunzelnd. »Was soll das heißen?«
    »Herr Chevalier, das wißt Ihr nicht?« sagte Toinon ganz überrascht, daß sie einmal klüger sein sollte als ich. »Die ›Münzen‹ verschreien heißt, ihnen einen neuen Wert zu geben, sie schwächer zu machen. Wenn der goldene Ecu mit derSonne Frankreichs, der heutigen Tages noch fünfundsechzig Sous wert ist, auf fünfundfünfzig Sous abgewertet wird, verlieren wir an jedem Ecu zehn Sous. Das macht einen riesigen Verlust für alle, die Geld im Kasten haben! Ach, Herr Chevalier«, fuhr sie immer eindringlicher fort, »es ist ein Jammer, mit einem Federstrich den ehrbaren Handwerker zu ruinieren, der Nacht für Nacht an seinem Ofen schuftet! Und was wird aus uns, wenn der Krieg kommt und alles verwüstet? Wo bleibt dann alle Sonntag sein Huhn im Topf? 1 Der Vater meines Mérilhou hat während der Belagerung von Paris seine letzte Ente mitsamt den Knochen gegessen und hat nicht ein Pfund Mehl gehabt, sich sein eigenes Brot zu backen! Wenn der König uns schon nichts gibt, soll er uns wenigstens nichts nehmen! Das heißt denn doch, uns gar zu sehr auszupressen!«
    Tränen rollten über ihre Wangen, und ohne daß ihr Gesicht sich im mindesten verzog, malte sich darauf so starke Verzweiflung, daß mein Herz sich vor Mitleid zusammenzog und ich mich zwingen mußte, sie nicht in die Arme zu schließen und zu trösten. Aber es war ein Impuls aus früherer Vertrautheit, und ich fühlte, daß dies nicht die Stunde für Zärtlichkeiten war. Und so betrachtete ich sie schweigend und versuchte, ihr allein durch meinen Blick zu sagen, was meine Umarmung ihr soviel besser hätte sagen können.
    Schneller als gedacht, wurde sie ihrer Seele Herr und zog ein Taschentuch aus dem Ärmel, mit dem sie sich die Wangen abtupfte. Sie tat dies, wie sie alles tat: mit Anmut. Immer hatte sie unter ihrem Stand gelebt, ob als »Nichte« bei Bassompierre oder als »Soubrette« bei uns. Und weil sie nie wie Louison Zofe einer hohen Dame war, hatte sie ohne Vorbild auskommen müssen und schien sich diese kleinen Feinheiten ganz aus eigenem erworben zu haben.
    Erstaunt war ich indessen, daß sowohl mein Vater wie La Surie dieses Münzedikt noch mit keinem Worte erwähnt hatten, obwohl es sie ja auch treffen mußte, da ihre Truhen doch alles andere als leer waren.
    »Toinon«, sagte ich, als ich sah, daß sie sich wieder gefaßt hatte, »ist diese Abwertung des Ecu schon beschlossene Sache?«
    »Gott sei Dank noch nicht, Monsieur! Das Parlament hat sich geweigert, das Edikt anzunehmen, aber das ist doch der Kampf des Tontopfes gegen den Eisentopf. Wenn der König dabei bleibt, muß das Gericht nachgeben. Ach, Herr Chevalier, und dieser Krieg, in den uns der König stürzen will, der bringt unsereinem nichts Gutes! Der wird der Ruin des Handels.«
    »Aber nicht allen Handels, Toinon«, sagte ich lebhaft, »und bestimmt nicht des deinen. Brot wird immer gegessen.«
    »Ja, wenn es Getreide gibt, Monsieur. Ihr wißt wie ich, daß das Korn in Kriegszeiten rar wird, und außerdem ist das Volk so dumm, daß es sich immer an den Bäcker hält, wenn es hungert.«
    Ich schwieg, denn es war leider die Wahrheit, daß der Vater von Mérilhou während der Belagerung von Paris

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