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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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um mich glücklich zu machen.‹ Was meinst du, Vollbart, ist sie nicht ein geistreicher Engel?«
    »Gewiß«, sagte mein Vater, »die Comtesse de Moret ist wunderschön und sehr geistreich.«
    »Wie galant!« sagte La Surie, als mein Vater uns dies erzählte. »Wenigstens habt Ihr sie nicht auch noch Engel genannt. Ihr wißt, daß die Moret über Gold die Nase rümpft: sie liebt nur Diamanten.«
    »Das wußte ich nicht, aber ich ahnte es«, sagte mein Vater. »Ein so großer Politiker der König auch ist, was seine Mätressen angeht, ist er naiv. Er frißt ihnen aus der Hand.«
    ***
    Madame de Guise hegte große Bewunderung für eine uralte, sehr eigentümliche goldene Medaille mit einem Marienbild, die mein Vater um den Hals trug und die er von seiner Mutter, Isabelle de Caumont, auf dem Sterbebett erhalten hatte gegenden Schwur, sie niemals abzulegen. Ein Gelöbnis, das mein Vater, wiewohl er damals Hugenotte war, auch treulich einhielt, was für ihn aber merkwürdige Folgen hatte: das Bild der Jungfrau auf seiner Brust hätte ihn während der Michelade von Nîmes ums Haar das Leben gekostet, weil die Hugenotten ihn für einen Katholiken hielten. Hinwiederum rettete sie ihm das Leben in der Bartholomäusnacht, denn die Katholiken, die ihn verfolgten, sahen darin den Beweis, daß er zu ihnen gehörte: eine traurige Epoche, da die Fanatiker beider Fronten nur daran dachten, sich gegenseitig totzuschlagen.
    Als mein Vater Madame de Guise nun den goldenen Rosenkranz von König Henri überbrachte, den sie, anders als die Comtesse de Moret, mit Freude empfing, merkte mein Vater durchaus, daß das Geschenk des Königs ihn nicht von einem eigenen entband, zu dem der Chevalier ihm geraten hatte. So ließ er denn von einem jüdischen Goldschmied eine genaue Kopie des Erbstückes seiner Mutter anfertigen. Für ihn war dies ein Zeichen seiner unwandelbaren Zuneigung. Madame de Guise in ihrem romantischen Sinn indessen nahm es für eine Art Symbol. Sie fühlte sich überglücklich, daß sie ihren hübschen Hals mit der gleichen Medaille schmücken konnte, wie ihr Geliebter eine trug, und sah darin, wie sie ihm schwärmerisch gestand, »das Unterpfand ewiger Liebe«.
    ***
    Das Jahr 1607 brachte Madame de Guise ein Ereignis, das für ihr Leben ziemlich bedeutungsvoll war, und mir eine Begegnung, die ich zunächst für unerheblich hielt, die sich aber so folgenreich erwies, daß ich sie schließlich als eine Wende meines Daseins betrachtete.
    Es war Mitte Juni, glaube ich, als
L’Astrée
erschien, der berühmte Liebesroman von Honoré d’Urfé. Die Druckerfarbe war auf den Seiten kaum getrocknet, als viele schöne Wangen sich schon mit Tränen netzten, zumindest bei jenen unserer hohen Damen, die lesen konnten. Leider lag für meine Patin da der Hase im Pfeffer! Denn sie kam übers Buchstabieren kaum hinaus. Da sie nun aber hörte, in welche Rührung so viele ihrer Freundinnen durch die Lektüre dieses erhabenen Buches gerieten, engagierte sie unverzüglich eine edle Jungfer,allabendlich den anmutigen und gefühlvollen Wechselreden, deren diese Erzählung übervoll ist, ihre Stimme zu leihen. So kam es, daß sie des abends in Entzückungen einschlief und anderntags meinem Vater vorwarf, sie nicht ebenso zu lieben wie der Schäfer Céladon, der die Schäferin Astrée anbetete, obwohl er von ihr so viele Abfuhren zu erleiden hatte.
    »Das kommt«, erwiderte mein Vater, »weil ich ein besserer Schäfer bin als Céladon. Anstatt zu Füßen einer undankbaren Schönen zu seufzen, pflege ich meine Schäfchen ...«
    »Ach, Ihr seid nicht liebenswert!« sagte die Herzogin, »es macht ja keinen Spaß, Euch grausam zu kommen: Ihr lacht nur!«
    Der Juli, der dem Erscheinen von
L’Astrée
folgte, war so außergewöhnlich trocken und heiß, daß ganz Paris über die stehende Luft und den Gestank in den Gassen und Straßen stöhnte. Da Monsier de Bassompierre nun hörte, daß mein Vater sich nach dem Schloß von Saint-Germain-en-Laye begeben wollte, um sich mit Doktor Héroard zu besprechen, und weil er selbst Monsieur de Mansan besuchen wollte, schlug er vor, die Fahrt gemeinsam in seiner Galiote auf der Seine stromab zu machen und sich der Frische des Wassers zu erfreuen.
    Wegen der großen Mäander, welche die Seine westlich von Paris beschreibt, versprach die Reise recht lang zu werden, und so wurde vereinbart, sich vor Tagesanbruch im Hafen Port-au-Foin, gleich am Louvre, einzuschiffen, die Kutschen aber vorauszuschicken, damit sie uns

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