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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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am Fuße des Hügels von Saint-Germain erwarteten, weil wir derweise den steilen Hang zum Schloß bequemer erklimmen könnten, um anschließend nicht zu Wasser, sondern in ebendiesen Karossen zurückzukehren. Denn es war natürlich eines, von Paris nach Saint-Germain unter Beihilfe der Ruder und gegebenenfalls auch der Segel mit der Strömung zu fahren, und ein ganz anderes, von Saint-Germain nach Paris gegen den Strom zu steuern, eine Unternehmung, die endlos lange dauern würde.
    Bassompierre empfahl meinem Vater, sich für die Reise mit Musketen wohl zu versehen und sich von Chevalier de La Surie und unseren beiden Soldaten begleiten zu lassen, doch käme auch er mit starkem Schutz. Denn nach der ersten Schleife der Seine, bevor man die große Insel La Jatteerreichte, konnte die Galiote von schwerbewaffneten Flußpiraten angesteuert werden, derer man sich nur durch ein scharfes Musketenfeuer sowie durch rasche Manöver erwehren könnte. Aus dem Grunde hatte Bassompierre, da er den durchweg verrufenen Seineschiffern nicht traute, nur deutsche Schiffer in Dienst genommen, kraftvolle, ehrbare Burschen aus seiner Heimatprovinz und ihrem Herrn treu ergeben. Aus demselben Grunde war auch der Laufgang um die Schiffsbrücke mit Schießscharten versehen. Für mich Zwölfjährigen war diese große Reise auf der Seine fast wie die Meerfahrt des Odysseus, und begeistert stellte ich mir vor, daß es mangels Stürmen womöglich ein Scharmützel zu bestehen gälte. Und nicht allein, daß ich meinen Degen gürtete, erbat ich mir von meinem Vater die Erlaubnis, auch noch eine kleine Armbrust mitzunehmen, die ich mir von eigenem Geld gekauft hatte. Nachher bereute ich, sie mitgebracht zu haben, denn als wir an Bord waren, sah ich natürlich, wie Bassompierres Männer mein kleines Wurfgeschoß belächelten.
    Der Kahn maß ungefähr sechs Klafter in der Länge und hatte im Vorschiff einen Mast, der ein großes, viereckiges Segel trug, das jedoch, wie mir erklärt wurde, seinen Dienst nur versehen konnte, wenn der Wind von schräg oder von hinten blies. Die Brücke hinter dem Mast war völlig leer bis zum Heck, wo sich ein großes, wunderschönes Zelt aus Damast erhob, unter welchem wir Platz nahmen und dessen Bahnen herabgelassen oder aufgezogen werden konnten, je nachdem ob man sich vor der Sonne schützen oder die Brise genießen wollte. Auf meine Frage, die ich La Surie ins Ohr flüsterte, erklärte er mir, daß ich die Ruderer deshalb nicht sehen könne, weil sie sich in dem Raum unter der Brücke befänden, und daß man von ihnen steuerbords wie backbords aber auch nur die Kellen sähe, sobald sie aus den Speigatts hervortreten und ins Wasser tauchen würden – nachdem man bereits vom Quai abgelegt hätte.
    »Am Anfang«, setzte er hinzu, »werden sie aber wenig zu tun haben, außer vielleicht gegenzusteuern, um die Fahrt zu verlangsamen, denn die Strömung ist heute ziemlich stark.«
    »Aber angenommen«, sagte ich, »es legt sich uns an einer engen Stelle ein Piratenboot in die Quere.«
    »Dann steuern wir gerade draufzu und spießen es mit demstarken Eisensporn auf, den Ihr am Bug gesehen habt. Nur, zu Eurem großen Bedauern«, fügte der Chevalier mit einem Lächeln hinzu, »werdet Ihr nichts dergleichen erleben. Das Schiff von Monsieur de Bassompierre ist ja so stark bewehrt, damit es nicht erst angegriffen wird, und seid versichert, die Herren Flibustiere wissen das sehr wohl und machen sich lieber über weniger befestigte Kähne her, die dafür aber Getreide, Fleisch oder Baumwolle geladen haben. Haltet die Augen offen, Pierre, aber richtet sie auf das Land ringsum, Ihr werdet selten etwas Schöneres erblicken als dieses Stück Seine stromab.«
    In letzter Minute, als es eben tagte und ein Schiffer unsere Ankertaue zu lichten begann, langte in einer Kutsche mit Bassompierres Wappen eine Schar von fünf oder sechs sehr hübschen, sehr jungen Damen an, die, kaum an Bord gestiegen, mit ihren rauschenden Röcken und flatternden Ärmeln, ihrem Gekicher und Geplapper um Monsieur de Bassompierre wirbelten. Der Anblick des lustigen Bienenschwarms dörrte mir die Kehle und bannte mich an meinen Platz, während ich nur zu gerne zu ihnen gelaufen wäre, und neidisch beobachtete ich von weitem, wie sie Monsieur de Bassompierre umschwirrten. Schließlich zupfte ich La Surie am Rock.
    »Monsieur«, fragte ich leise, »sind das ehrbare Personen?«
    Der Chevalier lächelte.
    »Warum argwöhnt Ihr, sie könnten es nicht sein?«
    »Sie

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