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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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übelzunehmen.
    In dem Moment verkündigte Monsieur de Réchignevoisin, dessen sanfter Stimme ich ein solche Volltönigkeit nie zugetraut hätte, das Eintreffen des Herzogs von Montpensier, des Herzogs von Bellegarde und von Madame Charlotte des Essarts. Und schon stand ich allein. Madame de Guise schritt dem Herzog von Montpensier entgegen. Die Prinzessin von Conti eilte, Bellegarde zu begrüßen, und der Erzbischof, Charlotte des Essarts.
    »Seid nicht verärgert, Chevalier«, sagte Sommerive, den ich, als ich mich umwandte, zu meiner Rechten wie einen Schutzengel gewahrte. »Ihr konntet Euch sicherlich denken, daß Madame de Guise die neuen Gäste willkommen heißt und in erster Linie den Herzog von Montpensier, weil er Prinz von Geblüt und ihr Cousin zweiten Grades ist. Doch außer daß ihre Kinder sich verpflichtet fühlen, ihr darin beizustehen, geht hier die Neigung vor der Pflicht. Wie jeder weiß und Ihr es auch wissen müßt, denn etwas am Hofe nicht zu wissen, kann verhängnisvoll sein, war die Prinzessin von Conti vor ihrer Vermählung ziemlich lebhaft dem Herzog von Bellegarde zugetan. Und was unseren mutwilligen Erzbischof betrifft, warum sollte unter einer violetten Robe nicht auch ein Herz schlagen?«
    »Für Charlotte des Essarts? Für die Favoritin? Ist das möglich? Und was sagt der König dazu?«
    »Den König kümmert das wenig. Er verläßt sich darauf, daß der Erzbischof seiner Mutter gehorcht und daß er seiner teuren Cousine nur ein Wort zu sagen braucht, und sie schickt ihn zurück nach Reims.«
    »Das ist soeben geschehen.«
    »Meine verehrte Tante ist die Weisheit selbst.«
    »Und wie nimmt Charlotte des Essarts die Werbungen des Erzbischofs auf?«
    »Ein Erzbischof ist natürlich kein König. Aber die reizende Charlotte denkt an ihre sehr ungewisse Zukunft, denn der König ist sehr unbeständig. Wie findet Ihr sie?«
    »Blond und rund.«
    »Und klein. Die Comtesse de Moret ist auch klein. Deshalb sagte die Prinzessin von Conti, als sie die halbe Ungnade der Marquise de Verneuil kommentierte, zum großen Ergötzen des Hofes: ›Der König besteigt keine großen Rösser mehr. Neuerdings behagen ihm kleine Pferde besser.‹ Was ist, Chevalier? Ihr rümpft die Nase?«
    »Der Scherz ist ein wenig grob.«
    »Ah, Chevalier, daran muß man sich gewöhnen! Die meisten Scherze am Hof sind aus diesem Mehl, das allerdings nicht vom feinsten ist. Feinsinnig ist hier einzig die junge Marquise de Rambouillet. Und ich will Euch ihr vorstellen: Ihr werdet nicht umhin können, sie zu lieben. Sie liest die Dichter, sie lernt Latein, sie plaudert zum Entzücken. Außerdem ist sie schön, daß es einen geschworenen Heiligen in Verdammnis stürzen könnte. Aber zappelt nicht im voraus, Chevalier. Die Tugend der Marquise verbietet das mindeste Augenspiel, und ihre Prüderie ist geradezu unbändig.«
    In dem Moment steuerte aus einiger Entfernung Noémie de Sobol auf uns zu, und Sommerive sagte leise: »Das Frauenzimmer hat es auf uns abgesehen. Verzeiht, ich werde Euch verlassen, sobald sie da ist. Ich gehe auf eine Plauderei zum Prinzen von Conti und zum Herzog von Montpensier, die man, wie ich sehe, nebeneinander gesetzt hat.«
    »Plauderei? Aber der erste ist taub.«
    »Und der zweite ein Idiot. Trotzdem, beide sind Prinzen von Geblüt, und ich habe Höflichkeitspflichten, sie sindBourbonen und ich ein Guise. Ihr habt meinen Vater zu dem Thema gehört.«
    Mit flammendem Haar, belebtem Gesicht und wogendem Busen glitt Noémie de Sobol wie ein Schiff unter Segeln auf uns zu, und der Wind ihres Laufs blähte ihren Reifrock. Sowie sie uns erreicht hatte, warf sie ihren kleinen Enterhaken nach Sommerive aus.
    »Ah, Comte!« sagte sie mit bebender Stimme, »wie erfreut ich bin, Euch zu sehen.«
    »Und niemand könnte bei Eurem Anblick entzückter sein als ich, Madame«, sagte Sommerive, indem er sich verneigte. »Ihr seid der Inbegriff aller Zierden, die man in diesem Hause sieht, und nichts auf der Welt ziehe ich Eurer liebenswerten Gesellschaft vor. Wollt Ihr mir gütigst vergeben, ebenso der Chevalier, aber ich muß meinen Pflichten gegen die Prinzen von Geblüt genügen. Geruht, mir einen Tanz zu reservieren, und ich werde überglücklich sein.«
    Nach diesen Worten, die Sommerive in gekünsteltem Ton und in einem Zuge heruntergespult hatte, ohne die arme Noémie auch nur anzusehen, da er die Augen auf einen Punkt über ihrem Kopf gerichtet hielt, verneigte er sich. Und sich abwendend, eilte er dem Winkel

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