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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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seid ganz sicher, daß der Klatsch sich kaum auf Pierre stürzen wird.Seine Tänzerin ist als Zielscheibe viel lohnender: die Prüden werden sie verdammen und die Schönen sie unter die Erde wünschen. Und was die Männer angeht, die werden mit den Augen zwinkern, sich mit dem Ellbogen anstoßen und Bemerkungen murmeln der Art: ›Alle Wetter, Marquis! Wenn die Mamsell will, daß ich ihr die Beine in die Luft hebe, bin ich ihr Mann!‹ Und noch bevor der nächste Tanz endet, wird man jemand anderen haben, über den man herzieht.«
    ***
    Mit diesen Worten verließ uns mein Vater, denn ein kleiner Page hatte ihm soeben gemeldet, der König rufe ihn zu sich, und Madame de Guise, die noch immer ein wenig durcheinander war, umarmte mich und riet mir, den folgenden Tanz auszulassen, damit die verrückte Volte vergessen würde.
    »Was mich angeht«, sagte sie, »werde ich jetzt stehenden Fußes die Prinzessin von Conti verspeisen.«
    »Aber was hat sie denn gemacht?«
    »Ich will nicht, daß sie mit Bellegarde tanzt. Damit stößt sie ihren Ehemann vor den Kopf. Der Ärmste ist zwar taub, aber blind ist er nicht. Mein Gott, mein Gott, was habe ich nur für Kinder?«
    Ich wurde rot, als ich diese Klage hörte, und als meine liebe Patin es sah, strich sie mir mit der Hand über die Wange und murmelte: »Das sage ich nicht Euretwegen. Ihr seid noch der Beste von allen.«
    Und sie blickte mich mit so liebevollen Augen an, daß mich eine wilde Lust überkam, sie in die Arme zu schließen. Trotz ihrer Zänkereien, ihrer Schroffheiten und Melancholien hatte ich sie immer geliebt, und mit einer Zärtlichkeit, in die sich einige Belustigung mischte, sah ich die hohe Dame mit lebhaften Schritten davoneilen, die wie eine Glucke unaufhörlich ihren Kücken nachlief, um sie immer wieder auf den rechten Weg zu bringen.
    Ich kehrte in meinen kleinen Schlupfwinkel zwischen der Estrade und der Grünpflanze zurück und hatte die Genugtuung, meinen Schemel leer zu finden. Aber mir blieb nicht lange die Muße, den Bären zu spielen und meine Wunden zu leken. Die Prinzessin von Conti tauchte vor mir auf.
    »Bitte, Cousin«, sagte sie, »überlaßt mir Euren Platz und stellt Euch so, daß Ihr mich verbergt. Meine Mutter sucht mich.«
    »Um Euch zu tadeln, Madame?« fragte ich, indem ich aufstand.
    »Woher wißt Ihr das?« fragte sie, indem sie sich mit einer Anmut setzte, die ich nicht anders als bewundern konnte.
    »Ich war der erste auf ihrer Liste. Ihr werdet die zweite sein und der Prinz von Joinville der dritte, weil er es gewagt hat, die Comtesse de Moret zur Volte aufzufordern.«
    »Mein Cousin«, sagte sie mit einem reizenden Lächeln, »Ihr seid ein Schlaukopf, aber Ihr werdet es noch bereuen, dieser Familie von Verrückten beigetreten zu sein.«
    »Das, Madame, hat sich ohne mein Wissen zugetragen: ich wurde nicht gefragt.«
    Sie lachte. Die Prinzessin von Conti hatte zwei Lachen, wie ich nachher bemerkte: das eine unbesonnen und völlig geradezu, das ihrem heiteren Naturell entsprang, und ein anderes, kunstvoll und melodisch, das sie ihren Liebhabern vorbehielt. Mir wurde nur das erste zuteil. Was nicht heißt, daß sie mich beiläufig nicht liebkoste. Auch ein Bischof freut sich eines Hündchens, das vor ihm Männchen macht.
    »Cousin«, sagte sie, »ich fange an, Euch gern zu haben. Ihr seid ja, heißt es, ein Born des Wissens. Aber alles, was Ihr sagt, klingt so leicht. Keine Spur von einem Pedanten.«
    »Kompliment gegen Kompliment, Madame, würde ich sagen, daß mir die hübschesten Damen auf diesem Ball im Vergleich mit Euch gewöhnlich erscheinen.«
    Wahrhaftig, sie war eine große Dame. Und das Kompliment war kaum ausgeschlüpft, da war es auch schon geschleckt wie Sahne.
    »Die Schmeichelei riecht ein wenig nach Inzest!« sagte sie mit einem neuerlichen Lachen, um das Vergnügen zu verbergen, das ihr mein Lob bereitet hatte.
    »Nicht ganz.«
    »Wieso nicht ganz?«
    »Halber Bruder, halber Inzest.« Und mit ein wenig Herablassung fügte sie hinzu: »Gott sei Dank, habe ich an einem Erzbischof genug, der mir Küsse auf den Hals setzt.«
    »Nicht, daß es mir an der Lust dazu mangelte. Ich bewundereEuren Schwanenhals, Madame, und nichts fesselt mein Auge so wie die elegante Art, mit der Ihr den Kopf wendet.«
    »Mein Gott, wie Ihr drauflosgeht! Und wißt Ihr auch, der Ihr alles wißt, was meine Mutter mir vorwirft?«
    »Den Herzog von Bellegarde.«
    »Da kommt sie zu spät: eine Liebelei, die längst vergangen

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