Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
einen Blick auf meine Person zu werfen geruhte, daß sie keine wirkliche Feindseligkeit gegen mich hegte und sich mir so unfreundlich nur gezeigt hatte, um ihren Gemahl zu ärgern. Aber so abscheulich sie angefangen hatte, so abscheulich fuhr sie fort, einfach, weil sie damit begonnen hatte.
»Mi servire!«
sagte sie,
»son tutte chiacchiere.«
2
»Kann sein«, sagte der König trocken, »aber bevor Ihr darüber entscheidet, laßt dem Chevalier de Siorac wenigstens die Zeit, zu beweisen, daß den Worten auch Taten folgen.«
Hierauf wandte er sich an mich und sagte in dem heitersten Ton: »Mein kleiner Cousin, geht nun und sagt Monsieur de Réchignevoisin, ich wünsche einen Passe-pied zu tanzen, sofern meine Königin einwilligt.«
Aber »seine Königin«, die in dem Augenblick, da er zu ihr sprach, dieses zärtliche besitzanzeigende Wörtchen so wenig verdiente, gab keinen Laut. Durch ihr langes Kinn und ihre vorstehende Unterlippe, beides Erbschaften ihrer habsburgischen Ahnen, hatte die Dame von Natur aus ein hochfahrendes Aussehen. Das wurde noch schlimmer, wenn sie schmollte. Noch nie habe ich eine so vertrotzte Physiognomie gesehen, oder eine, die von soviel übler Laune überquoll. Man hatte dasGefühl, alle Flüsse des Königreiches könnten über diese Galligkeit hingehen und wüschen sie doch nicht ab.
Wie Sokrates, als man ihn fragte, warum er eine so zänkische Gattin wie die seine nicht verstoße, hätte auch unser Henri antworten können, er behalte sie, »um seine Geduld zu üben«. Aber tatsächlich war seine Geduld nur Schein. Wie mein Vater von Sully wußte, war der König es satt, daß »seine Königin« ihm fast immer grollte und mürrisch war. Andererseits wollte er aber auch nicht, daß seine Zwistigkeiten mit ihr über die eheliche Schwelle hinausgingen und in die Öffentlichkeit drangen.
»Wer nicht nein sagt, stimmt zu!« sagte der König und lächelte eifrig. »Auf denn, kleiner Cousin, bringt Réchignevoisin meine Botschaft und sagt ihm, wir, die Königin und ich, wollen den Passe-pied tanzen, aber nicht irgendeinen: wir haben uns den von Metz erwählt.«
SECHSTES KAPITEL
»Monsieur, auf ein Wort, bitte.«
»Ein Vorwurf, schöne Leserin?«
»Weshalb, Monsieur, wenden Sie sich in Ihren Memoiren niemals an mich, wie es Ihr Herr Vater so galant in den seinen getan hat?«
»Weil ich es nicht genauso machen wollte wie er, Madame. Sie konnten bereits beobachten, daß meine Sprache anders ist als die seine, weil sie meinem Jahrhundert entstammt, und daß ich mich befleißige, den Hof zu beschreiben, was er in nur geringem Maße getan hat, da er in seinem hugenottischen Herzen diesem Hof nicht eben wohlgesinnt war.«
»Ich verstehe. Nun, auf den Seiten, die ich bisher las, sprechen Sie sehr wenig über die Comtesse de Moret, Sie sagen lediglich, sie war ›rund und blond‹; sie habe, dem boshaften Wort Ihrer teuren Patin gemäß, ›doppelt soviel Busen wie nötig‹; und obwohl Mätresse des Königs, habe sie sich Joinville hingegeben für ein Eheversprechen.«
»Mehr wußte ich derzeit nicht über sie.«
»Aber ich wette, Sie haben späterhin mehr über sie erfahren?«
»Das aber die Ehrbarkeit verletzt ...«
»Die Ehrbarkeit, Monsieur, darf verletzt werden, sofern man diskret ist. Sprechen wir nicht von Angesicht zu Angesicht?«
»Was soll ich Ihnen antworten? Und woher dieses Interesse für die Moret? Sie war recht gewöhnlich, hatte weder die große Schönheit der Gabrielle d’Estrées noch den funkelnden Geist der Verneuil, sondern als einziges eine ansprechende und durchtriebene Niedlichkeit. Ich weiß nicht, wer sie die ›Nymphe mit dem Mäulchen‹ genannt hat. Denken Sie sich einige Rundungen hinzu, die mit einem -chen nicht bezeichnet wären, und Sie wissen, wo unser armer Henri im Garn hing.«
»Sie mögen die Moret offenbar nicht.«
»Niemand mochte sie. Und dafür gab es Gründe. Der Busen war das einzige Großzügige an ihr. Sie liebte das Geld und kannte im Leben nur eine Freude: wenn es sich in ihren Truhen häufte. Sie sparte an allem, sogar an ihren Kleidern. Nie sah man eine Favoritin in schäbigerem Putz.«
»Das ist ein ungefälliger Zug, aber nicht skandalös.«
»Der Skandal liegt auch nicht darin, Madame, sondern in dem Handel, der um sie veranstaltet wurde und bei dem sie mitmachte. Als der König ihr Mäulchen bemerkte, hieß sie noch Jacqueline de Bueil und war Ehrenjungfer bei der Prinzessin von Condé.«
»Bei der Gemahlin jenes mägerlichen
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