Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Ex-Favoritin und der Marschall von Frankreich hatten auf jeden Fall handfeste Gründe, sich zu verstehen. Sie liebten das Geld und hatten im Lauf der Jahre beide recht hübsche Sümmchen zusammengebracht, er, indem er den König anzog, sie, indem sie ihn auszog.«
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Als der König mir befohlen hatte, Monsieur de Réchignevoisin auszurichten, er wolle nun den Passe-pied von Metz tanzen, nahm ich Urlaub, indem ich dreimal nacheinander ins Knie ging, wie es die Etikette verlangte, doch war ich noch immer höchlichst verwundert, auf welche Weise mein Empfangsich abgespielt hatte. Und ich bildete mir in meiner jugendlichen Gloriole viel auf die Gewandtheit ein, mit der ich die ruppigen Worte der Königin beantwortet hatte – worüber ich ganz vergaß, daß ich mich auf einer Estrade befand. Als diese plötzlich unter mir entschwand, wäre ich zum großen Schaden meiner Gliedmaßen und meiner Würde rücklings auf das Parkett des Saales gestürzt, wäre mein Vater nicht rasch herzugesprungen und hätte mich in dem Moment aufgefangen, als ich den Boden unter den Füßen verlor. Er hatte den guten Einfall, diese Rettung sogleich in eine herzliche Umarmung samt Gratulation zu verwandeln. Auf die Weise bemerkte niemand mein Ungeschick, außer dem König, dessen Augen vor Schalk blitzten, der aber nichts übriges tat, da er einen kleinen Chevalier, der ebenso frischgebacken wie betört war, nicht dem Gelächter aussetzen wollte.
Aber betört war ich noch in einem anderen Sinn. Wie ich schon erzählte, herrschte Henri so uneingeschränkt über unsere Laren daheim, daß er über alles geliebt und bewundert in unserem Alltag gegenwärtig war, nicht wie ein Gott, sondern wie ein Mensch, denn wir betrachteten auch seine Schwächen mit Nachsicht als den irdischen Teil seiner Tugenden. Ihn zu sehen, ihn zu hören, wenn auch nur in dieser kurzen Minute – es hatte mich nicht enttäuscht. Henri war wirklich, wie ich ihn mir nach all den Geschichten vorgestellt hatte: ein Mann, dessen kraftvoller Genius mit einer seltenen Herzensgüte einherging. Und ich war dermaßen entzückt, wie schlicht, wie herzlich und, ich würde geradezu sagen, wie verbündet mit mir er mich empfangen hatte, daß ich mir schwor, mein Leben von diesem Augenblick an seinem Dienst zu weihen, wie er es übrigens ja auch von mir gefordert hatte. Ach, wie hätte ich zu jenem Zeitpunkt, da ich mir selbst dieses glühende Versprechen gab, ahnen können, daß unser armer König nur mehr drei Jahre leben sollte?
Ich befand mich in jenem Moment in einer solchen Trunkenheit – denn der dumme Schimpf der Königin war an meiner Haut abgeglitten, ohne auch nur eine Spur zu hinterlassen –, daß ich beim Anblick meines Vaters als dem Mann, dem ich alles verdankte, sowohl meine gegenwärtige Gunst wie auch meine künftige Größe, seine Hand faßte und ihn bat, jetzt nicht von mir zu gehen, bis ich nicht Monsieur de Réchignevoisingefunden hätte. Er lächelte über mein Verlangen, doch spürte er wohl, wieviel Liebe hinter dieser knabenhaften Erregung steckte.
In meiner Einbildung schon so hoch erhoben, sah ich die Menge der Höflinge, die wir durchquerten, wie eine Art Ameisenhaufen, wo die Insekten in toller Geschäftigkeit in alle Richtungen liefen, ohne mir zu überlegen, daß diese Ameisen mindestens meiner Größe waren, die Damen sogar noch umfangreicher wegen ihrer Reifröcke. Kurzum, ich war eine Ameise unter anderen und lief auch nur umher, eiligst die Botschaft anzubringen, mit welcher das Oberhaupt der Ameisen mich betraut hatte.
Ich weiß nicht, wie der Chevalier de La Surie, falls er nicht mit besseren Fühlern ausgestattet war als wir, es fertiggebracht hatte, in diesem Gedränge zu uns zu stoßen, aber geschmeidig wie eine Klinge und ebenso schnell war er auf einmal da und küßte mich sogleich auf beide Wangen, ohne eine Frage zu stellen, da er ja schon an meinem strahlenden Gesicht erkannte, wie glücklich ich war. Auch Madame de Guise war es gelungen, mich zu finden, aber mit einer anderen Methode, nämlich indem sie ungeniert laut in alle Richtungen fragte: »Wo ist mein Patensohn? Wo ist mein Patensohn?« Ein Satz, den freilich alle, die ihn hörten, im Geiste übersetzten mit: Wo ist mein Sohn? Wo ist mein Sohn? Man brachte sie endlich zu mir, sie erstickte mich fast mit ihren Umarmungen und Küssen, und ohne auf meine Proteste zu hören – denn ich vergaß nicht, daß ich Réchignevoisin eine Botschaft zu übermitteln hatte –, schleppte sie
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