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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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jungen Prinzen, den ich auf Ihrem Ball sah?«
    »Bei seiner Mutter, Madame, seiner Mutter, die selbst am Hofe nicht im Geruch der Heiligkeit stand, da sie verdächtigt wurde, sie habe ihren Gemahl von einem Pagen vergiften lassen, mit dem sie hurte. Und übrigens hielt es niemand – und Henri erst recht nicht – für allzu verbürgt, daß der junge Prinz von Condé der Sohn seines Vaters war. Und mit dieser hohen, so reich erfahrenen Dame feilschte der König um deren Ehrenjungfer.«
    »Feilschte!«
    »Bei dreißigtausend Ecus und dem Titel Comtesse wurde man handelseinig. Man fand den Preis bei Hofe ziemlich gewichtig, da die Ware so leicht war. Gleichwohl verlangte die Prinzessin von Condé vom hohen Roß der Wohlanständigkeit herab, bevor sie die Ware lieferte, daß diese eine Scheinehe mit einem Monsieur de Champvallon eingehe. Ich sage Scheinehe, denn der arme
Vorsänger
durfte die Frucht nicht pflücken.«
    »Was meinen Sie mit
Vorsänger

    »Einen Hengst minderer Herkunft, den man im Gestüt benutzt, um festzustellen, ob eine Stute in Hitze ist, aber der sie nicht decken darf, weil dies einem Beschäler mit edlerer Ahnenreihe vorbehalten bleibt.«
    »Unglücklicher Champvallon! Und warum tat man ihm diese Schmach an?«
    »Damit der König nicht an der Vaterschaft eines möglichen Kindes zweifeln müsse. Und auch, damit die Moret sich später trennen könne, da ihr Mann die Ehe nicht vollzogen habe.Das ist alles ein bißchen sehr schäbig, Madame, aber ich hatte Sie gewarnt.«
    »Daß man gleichzeitig Prinzessin, Mörderin und Kupplerin sein kann, erstaunt mich nicht wenig. Aber was soll ich von einem König halten, der Edeldamen mit einem Sack voller Ecus in der Hand umwirbt!«
    »Unser armer Henri, Madame, wußte, daß er alt war, runzlig, verbraucht, also nicht sehr geeignet, die Schönen zu verführen. Welche Chance hätte er gehabt gegen einen Bassompierre, einen Joinville, einen Schomberg oder einen Comte d’Auvergne? Außerdem dachte er als Soldat. Mit Geld hatte er während unserer Bürgerkriege mehr als eine Stadt in Frankreich zur Übergabe bewegt. Sie runzeln die Brauen? Aber bedenken Sie dabei auch, Madame, er kaufte nur die Käuflichen ... Als die Marquise de Guercheville, auf die er es vor ihrer Heirat abgesehen hatte, ihm antwortete: ›Sire, ich bin zu niedriger Herkunft, um Eure Gemahlin zu werden, und zu hochgestellt, um Eure Mätresse zu sein‹, da war er ihr nicht böse, im Gegenteil, er faßte für sie eine außerordentliche Wertschätzung und übergab sie später der Königin mit den Worten: ›Diese, Madame, ist eine
echte
Ehrendame.‹«
    »Eine Ehrerweisung des Lasters an die Tugend.«
    »Oh, Madame! Sind Sie nicht ein bißchen unbarmherzig?«
    »Und Sie, Monsieur, sind Sie nicht ein bißchen sehr barmherzig, vor allem, wo es um einen Mann geht?«
    »Ich weiß Henri Dank, daß er unsere Bürgerkriege beendigt, den Staat wiederhergestellt, seinen Feinden verziehen und in einem fanatischen Jahrhundert Toleranz bewiesen hat. Ist das nichts? Entschuldigt das nicht alles andere?«
    »Die Sache wäre einen Disput wert, aber meine Neugier ist nicht befriedigt. Noch zwei Worte, Monsieur. Was tat der König, als er hörte, daß die Moret sich dem Prinzen von Joinville für ein Eheversprechen hingegeben hatte?«
    »Hier die Tatsachen, wie ich sie erfuhr. Der König wurde, als er mit der Moret den Passe-pied tanzte, vor Ende des Tanzes von einem großen Grimmen in seinen Eingeweiden ergriffen, weil er an jenem Tag zu viele Melonen gegessen hatte. Er ließ die Moret stehen und eilte mit langen Schritten zur ›Kammer der Bequemlichkeiten‹. Auf dem Weg dorthin traf er Joinville, und mit der äußersten Knappheit – aber er hatte es indem Augenblick wirklich sehr eilig – sagte er zu ihm: ›Mein Cousin, Ihr packt heute nacht Euer Bündel und reist morgen in Euer Gouvernement Saint-Dizier.‹« 1
    »Und was tat Joinville?«
    »In seiner Not schickte er einen Lakaien zu seiner Mutter mit der Bitte, ihn in der alten Kemenate aufzusuchen.«
    »Was war das?«
    »Ein kleiner Raum neben dem Zimmer von Madame de Guise. Dem Bericht von Madame de Guise zufolge, warf sich Joinville, sowie sie die Kemenate betrat, ihr zu Füßen, vergrub sein weißes Gesicht in den blauen Falten des mütterlichen Reifrocks, vergoß eine Flut von Tränen und schrie mit erstickter Stimme: ›Madame, mit mir ist es aus! Der König hat mir soeben in furchtbarer Kürze befohlen, nach Saint-Dizier zu gehen. Das überlebe

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